Landständische Verfassungsurkunde des Fürstentums Lippe

vom 8. Juni 1819

Von Gottes Gnaden Pauline Christine Wilhelmine Fürstin zu Lippe ect.

Wir wurden bisher auf mehr als eine Weise an der Erfüllung des dreizehnten Artikels der teutschen Bundesacte gehindert, geben aber nunmehr, mit voller Beistimmung des künftig regierenden Fürsten, Unsers Herrn Sohns Paul Alexander Leopold Liebden, dem Fürstenthum Lippe nachstehende landständische Verfassungsurkunde.

Möge sie dem geliebten Lande, dem siebzehn Jahre unsere treue, mütterliche Fürsorge gewidmet war, bei dem nahen Ende Unsrer vormundschaftlichen Regierung ein theures Vermächtniß und die Grundlage ungestörter Einigkeit zwischen Haupt und Gliedern werden. Es bedarf keiner neuen Landesconstitution; es war unnöthig, Rechte zu versichern, die zu entziehen nie Unsre Absicht war, Pflichten einzuschärfen, die sich von selbst verstehene. Wir wollten nur die Hauptzüge der landständischen Verhältnisse nach den Bedürfnissen des Uns anvertraueten Landes bezeichnen, und überlassen es gern der Zukunft, im segensreichen Einverständniß der künftigen Regenten und der künftigen Stände, die Landeseinrichtungen, fortschreitend mit den Bedürfnissen der Zeit, zu vervollkommnen und auszubilden. Es ist das schönste Vorrecht hoher Menschenwürde, niemals still zu stehen, nie am Ziele sich zu glauben; denn was die Väter beglückte, paßt nicht mehr ganz für die Söhne; was diese bedürfen, würde schwerlich mehr den Enkeln genügen; aber dagegen steht es unerschütterlich fest, daß, wo es dem allgemeinen Wohle gilt, dem persönlichen Vortheil, den hergebrachten Gewohnheiten entsagt werden muß, und das Glück der Gesammtheit allein Richtschnur seyn und bleiben darf.

Die Wahlen sollen ohne Aufenthalt angesetzt, und, sobald sie vollendet sind, die Abgeordneten zum Landtage berufen werden. Diese Verordnung wird abgedruckt, vertheilt, angeschlagen, und ohne die Verfassungsurkunde von den Kanzeln verlesen.

Paulina
v. Funk    Helwing    Petri    von Meien

Paulina, Fürstin zu Lippe geb. als Prinzessin von Anhalt-Bernburg am 23. Februar 1769, regierte das Fürstentum Lippe als Regentin vom 4. April 1802 bis zur Regierungsübernahme ihres Sohnes, Fürst Leopold zu Lippe am 4. Juni 1820. Sie starb am 29. Dezember 1820.

Karte des Fürstentums

Verfassungsurkunde

Erster Titel.
Bestimmung der Landstände, der Anzahl ihrer Abgeordneten, und deren Rechte und Pflichten

§ 1. Die bisherigen Stände von Ritterschaft und Städten im Fürstenthum Lippe werden aufgehoben und durch eine Vertretung aller Landeseinwohner ersetzt.

§ 2. Diese Volksvertretung ruhet auf Grundeigenthum und bildet sich aus den drei Klassen der schriftsässigen Gutsbesitzer, des Bürgerstandes und des Bauernstandes.

§ 3. Jede dieser drei Klassen wählt aus ihrer Mitte sieben Abgeordnete, die sich auf Ausschreiben der Landesregierung versammeln und dann den Landtag bilden.

§ 4. Diese ein und zwanzig Abgeordneten vertreten die Gesammtheit des Lippeschen Landes, nicht blos die sie gewählt habende Klasse; das Interesse des ganzen Vaterlandes ist ihre heilige Pflicht.

§ 5. Die Wahl bestimmt jedem Abgeordneten einen Stellvertreter für den Fall, wenn der Tod, der Verlust der erforderlichen Eigenschaften, oder die mit landesherrlicher Genehmigung erfolgte Niederlegung seiner Stelle, sein Verhältnis auflöset.

§ 6. Die Abgeordneten und ihre Stellvertreter geloben vermöge körperlichen Eides: dem Landesherrn unverbrüchliche Treue, den Gesetzen Gehorsam, der Verfassung Aufrechterhaltung, dem Gemeinwohl des Vaterlandes unablässige Aufmerksamkeit und Fürsorge.

§ 7. Bei Einführung neuer oder Abänderung früherer Landesgesetze sollen die Landesabgeordneten mitwirken, ihr Gutachten geben, und wird, wenn jene Verordnungen auf die Landesverfassung wesentlichen Einfluß haben, ihre Zustimmung erforderlich seyn.

§ 8. Ohne vorhergegangene Berathung und ausdrückliche Beistimmung der Landesabgeordneten kann keine neue Steuer, sie habe auch Namen welchen sie wolle, sey direct oder indirect, aufgelegt, keine Anleihe auf den Credit landschaftlicher Kassen gemacht werden. Bei höchst dringenden Fällen und unaufschiebbarer Eile sollen jedesmal die Deputirten des ständischen Ausschusses zur Überzeugung und Repartition zugezogen werden. Von Nebenbedingungen bei Steuerbewilligung darf niemals die Rede seyn, nur von richtiger und alleiniger Verwendung zu den angegebenen Zwecken.

§ 9. Die bisherigen längst bestehenden Steuern, welche im Verhältniß anderer, durch Krieg und Regentenwechsel härter betroffenen, Staaten weder vielfach noch bedrückend sind, bleiben vorerst nocht in gewohnter Art.

§ 10. Die Regierung legt, wie bisher auf jedem Landtage, einen Etat der nöthig erachteten Bewilligungen bis zum nächsten vor, den genau zu prüfen und was des Landes Wohlfahrt forderet, dabei zu erinnern, der Landesabgeordneten besondere Pflicht ist.

§ 11. Auch steht den Vertretern des Landes das Recht des Vorschlags, der Anzeige, der Erinnerung bei Gegenständen zu, welche die Wohlfahrt des Landes, Vervollkommnung der Gesetzgebung, Mißbräuche der Verwaltung, Verbrechen einzelner Staatsdiener umfassen.

§ 12. Außer dem Landtagsdirector, welcher nur während des Landtags sein Amt verwaltet, und einem Landessyndicus, der im Lande wohnt und wohl im Stande ist, seinen Verpflichtungen zu genügen, wählt noch jeder Stand, zu leichterer und schnellerer Besorgung der landständischen Angelegenheiten auch außer dem Landtage , einen dauernden Deputirten. Diese drei bilden den Ausschuß.

§ 13. Alle diese Wahlen bedürfen der Bestätigung des Landesherrn.

Zweiter Titel.
Nähere Angabe der zu jedem Stande gehörigen Staatsbürger

§ 14. Der erste Stand oder der Stand der Gutsbesitzer im Fürstenthum Lippe besteht aus den Stiftern Cappel und Lemgo, aus allen Eigenthümern schriftsässiger, weder der städtischen Contribution, noch der Grundsteuer des platten Landes unterworfenen Güter.Diese Güter mögen in einer Stadt oder auf dem Lande liegen, bisher dem ritterschaftlichen Kataster einverleibt gewesen seyn oder nicht, der Eigenthümer mag adeligen oder bürgerlichen Standes seyn, fehlt ihm nur keine der Eigenschaften zur Ausübung des Stimmrechts; so steht ihm die Wahl der sieben Abgeordneten des ersten Standes eine Stimme zu. Zersplitterte Grundstücke ohne Wohnhaus berechtigen hierzu nicht.

§ 15. Den zweiten oder den Bürgerstand vertreten die Abgeordneten der Städte Lippstadt, Lemgo, Horn, Blomberg, Salzufeln, Detmold, Barntrupp und des Fleckens Lage. Die sechs ersten Städte wählen jede einen Abgeordneten; Barntrup und Lage den siebenten gemeinschaftlich.

§ 16. Den dritten oder den Bauernstand bilden alle erbliche Güterbesitzer des platten Landes, welche unter der ersten Instanz der Ämter stehen, sie mögen der Contribution oder Grundsteuer unterwofen seyn oder nicht, ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Besitzungen; die Flecken Schwalenberg, Alverdissen, Bösingfeld, Varenholz und sämmtliche Erbkötter ohne Unterschied der Exemtion.

Dritter Titel.
Von den Wahlen

§ 17. Die Regierung schreibt die von dem Landesherrn verordneten Wahlen aus, die nach ihrer Vollziehung dessen Genehmigung bedürfen.

§ 18. Die Behörden, denen die Leitung der Wahl anvertrauet wird, enthalten sich aller Vorschläge, jeder Einmischung, sorgen für Ordnung, Ruhe; verständigen die Erschienenen mit großer Sorgfalt, und ermahnen sie, gewissenhaft und rücksichtslos ihre Stimme nur Männern von bekannter Einsicht und Rechtschaffenheit zu geben.

§ 19. Die Wahlen der Landesabgeordneten des ersten Standes geschehen in einer und derselben Handlung unmittelbar, die Wahlen der Abgeordneten des zweiten und des dritten Standes mittelbar durch die dazu bestimmten Wahlmänner.

§ 20. Wer zu Lippstadt, Lemgo, Horn, Blomberg, Salzufeln, Detmold oder in Barntrup oder Lage ein Wohnhaus, in den Ämtern und Vogteien ein der Amtsgerichtsbarkeit unterworfenes Gut, Wohnhaus oder Stätte wirklich besitzen, und der nachher anzuführenden Eigenschaften dieser Klassen nicht ermangelt, ist ein Wähler des zweiten oder des dritten Standes.

§ 21. Für fünfzig bürgerliche Wohnhäuser in den Städten und dem Flecken Lage, und für fünfzig amtssässige Güter, Colonate oder Stätten auf dem Lande wird immer ein Wahlmann erkohren.

§ 22. Wer als Wähler Theil nehmen will, muß sein Vermögen selbst verwalten, weder in Concurs noch Elocation stehen, im Lande wohnen und 25 Jahre zurückgelegt haben. Wer sich eine entehrende Strafe zuzog, ist von jeder Wahl ausgeschlossen.

§ 23. Der Wahlmann bedarf, außer denen vom Wähler begehrten Eigenschaften, ein dreißigjähriges Alter, Bekenntniß der christlichen Religion, untadelhaften Wandel, den Ruf eines verständigen, rechtschaffenden Mannes und ein Grundvermögen von 1000 Thalern, um wählbar zu seyn.

§ 24. Ein Landesabgeordneter muß die Eigenschaften des Wählers und Wahlmanns besitzen, seine Gedanken schriftlich verständlich auszudrücken vermögen, und ein Grundvermögen von 3000 Thalern haben. Die nämlichen Vorzüge muß der Stellvertreter eines Abgeordneten vereinigen.

§ 25. Niemand kann in mehr als einem Stande wählen, mehr als eine Stimme führen; doch hängt es von einem jeden ab, der in mehr als einer Klasse Grundeigenthum besitzt, das Gut zu bestimmen, von dem er seine Rechte ausüben will.

§ 26. Die Stifter Cappel und Lemgo werden jedes durch seinen Syndicus vertreten. Andere Wahlstimmen müssen persönlich erscheinen und ruhen demnach, während eine Frau sie besitzt, ein Vormund oder Curator sie verwaltet.

§ 27. Großväter, Väter, Brüder können nicht mit ihren Enkeln, Söhnen und Geschwistern zugleich Wahlmänner, noch weniger Landesabgeordnete seyn. Werden sie demnach gleichzeitig gewählt, so tirtt der jüngere an Jahren zurück und sein Stellvertreter ein.

§ 28. Die Mitglieder der Regierung, der Rentkammer, des Constistoriums, der obern Justizhöfe, diejenigen, welche Hofchargen oder Militairdienste bekleiden, können keine Landesabgeordnete seyn. Andere dazu gewählte herrschaftliche Diener müssen erst die Erlaubniß des Regenten zur Annahme nachsuchen.

§ 29. Wer an einer Wahl Theil nehmen darf, hat auch die Pflicht, dem an ihn ergehenden ehrenvollen Ruf zu folgen, wenn nicht Krankheit, Abwesenheit und unaufschiebliche Geschäfte ihn entschuldigen.

§ 30. Die Gegenwart von drei Viertheilen der Berechtigten ist bei jeder Wahl nothwendig. Erscheinen sie nicht zahlreich genug, muß deshalb ein neuer Termin angesetzt werden; so geschieht es auf Kosten derer, die ohne gesetzliche Ursache ausblieben.

§ 31. Bei jeder Wahl, wo Stimmengleichheit eintritt, und nicht einer der Gewählten freiwillig entsagt, entscheidet das Loos.

§ 32. Wer die Wahl ablehnen will, muß es sogleich zu Protocoll erklären oder binnen drei Tagen der Regierung zureichende Gründe anzeigen.

§ 33. Wenn bei den Wahlen die vorgeschriebenen Formen nicht beachtet wurden, oder den Gewählten die gesetzlichen Eigenschaften fehlen, Ränke, Einflösungen, Verabredungen oder Kabalen eintraten, so sind sie ungültig und nichtig; die vergeblichen Kosten fallen dem zur Last, der diese Mängel verschuldete, und es kann ihn nach Befinden auch Strafe tretten.

§ 34. Die mit der Leitung der Wahl beauftragten Behörden berichten die Vollziehung, mit Beifügung eines Gutachtens über die Gültigkeit, der Regierung, welche dann die Entschließung des Landesherrn bekannt macht.

§ 35. Sobald eine Wahl die landesherrliche Genehmigung erhalten hat, lösen sich alle Verhältnisse der Wahlmänner auf, und sie müssen sich nicht weiter eigenmächtig versammeln.

§ 36. Die Landesabgeordneten, die drei Deputirten des Ausschusses und der Landessyndicus werden auf sechs Jahre gewählt, können es aber auch nach diesem Zeitraum bleiben, wenn ihre Wahl sich erneuert.

§ 37. Geht während des sechsjährigen Zeitraums ein für einen Landtagsabgeordneten eingetretener Stellvertreter ab, so wird die Regierung eine neue Wahl des Abgeordneten und des Stellvertreters veranlassen.

§ 38. Die dieser Verfassungsurkunde beigeschlossene Wahlvorschrift bestimmt das Betragen eines jeden Standes bei der ihm obliegenden Wahl.

Vierter Titel.
Von den Landtagen

§ 39. Eine landesherrliche Verordnung im Intelligenzblatt beruft den Landtag in der  Regel nach in die Residenz Detmold. Eigenmächtige landständische Versammlungen sind gesetzwidrig und nichtig, doch kann sich jeder Stand, hat er die landesherrliche Erlaubniß dazu erbeten, in seinen Angelegenheiten vereinigen.

§ 40. Alle zwei Jahre soll ein Landtag gehalten werden; doch kann, wenn es der Landesherr früher nöthig erachtet, die Zusammenberufung der Stände auch nach kürzerem Zeitraum geschehen.

§ 41. Nach des Regenten Ableben werden binnen drei Wochen die Landesabgeordneten einberufen, um die Huldigung zu leisten, oder im Fall eine Vormundschaft anzuordnen ist, dazu mitzuwirken.

§ 42. So oft eine neue Wahl von Landesabgeordneten eingetreten ist, begiebt sich eine fürstliche Commission noch vor Eröffnung des Landtags in die Versammlung und beeidigt die Gewählten.

§ 43. Dann wählen sämmtlichen Landesabgeordneten den Director des Landtags, den aus drei Deputirten bestehenden Ausschuß, und den Landsyndicus, zeigen den Erfolg der fürstlichen Commission an, welche die landesherrliche Genehmigung einhohlt, die Bekanntmachung der Wahlen besorgt, den Landtagsdirector und den Ausschuß auf die schon geleisteten Gelobungen verweiset, und den Landsyndicus vereidigt.

§ 44. Wenn die Ständeversammlung auf diese Weise ihre innere Einrichtung erhalten hat, so erfolgt ihre feierliche Eröffnung auf dem Residenzschloß in auch sonst gewohnter Weise.

§ 45. Die Landesabgeordneten berathschlagen in einer Kammer, und erhalten eine weitere Geschäftsordnung.

§ 46. Die Berathschlagungen des Landtags geschehen öffentlich; doch kann die Kammer das Abtreten der Zuhörer in dazu geeigneten Fällen verlangen. Die Resultate des Landtags sollen in paßlicher Form und Kürze durch den Druck bekannt gemacht werden.

§ 47. Zu einem gültigen Beschluß bedarf es der Anwesenheit von wenigstens zwei Drittheilen der Landesabgeordneten. Der Landtagsdirector, welcher jeden Gegenstand der Berathung vorträgt, sucht denselben in vollständiger Klarheit darzulegen und nach Möglichkeit auf einfache Fragen zurückzubringen. Im Falle entschiedener Stimmenmehrheit ist der Beschluß gefaßt; Stimmengleichheit veranlaßt die Wiederhohlung des Gegenstandes in einer zweiten Sitzung und dauert sie auch dann noch fort, die Entscheidung des Landesherrn.

§ 48. Alle Abgeordneten haben gleiche Rechte und gleiche Verpflichtungen; sie vertreten alle Landesbewohner und sind daher an keine Instruction ihrer Wahlbehörden gebunden. Sie müssen diese in Kopf und Herz, in bester Einsicht und Überzeugung finden. Protestaktionen gegen die Beschlüsse des Landtages sind gesetzwidrig, doch steht es den Abgeordneten frei, seine abweichende Meinung in einem besondern Aufsatz zur Kenntniß des Regenten zu bringen.

§ 49. Die Landesabgeordneten sind wegen ihrer Äußerungen in der Ständeversammlung nicht verantwortlich. Verletzungen des allgemeinen Anstandes, Verunglimpfungen, Schmähungen.sind ihnen nicht zuzutrauen; der Landtagsdirector könnte sonst, da ihm die Einhaltung der Ruhe und Schicklichkeit in den Versammlungen obliegt, zur Ordnung rufen, und geschähe es vergebens, Entfernung und Ahndung durch Anzeige befördern. Jeder Abgeordnete ist während der Dauer des Landtags für seine Person unverletzlich; nur die Begehung eines Verbrechens könnte Verhaft ihm zuziehen.

§ 50. Wenn es wegen der landesherrlichen Propositionen und Regierungsanträge mündlicher Entwicklungen und ausführlicher Entwickelung und ausführlicher Nachweisungen bedarf, so ernennt der Landesherr eine Commission, die den einzelnen Sitzungen, welche diesen Gegenständen bestimmt sind, beizuwohnen hat.

§ 51. Der Landtag muß auf die landesherrlichen Propositionen ein und alle Puncte gerichtetes, nach Möglichkeit erschöpfendes, wohlerwogenes Gutachten erstatten, worauf dan weitere Entschließung erfolgt. In Ansehung unerfüllter Wünsche und nicht genehmigter Vorschläge der Abgeordneten steht es denselben frei, sie an nächsten Landtag zu wiederhohlen.

§ 52. Der Landtagsschluß geschieht mit gleichen Förmlichkeiten, als die Eröffnung.

§ 53. Die gewöhnliche Dauer des Landtags ist drei Wochen; der Landesherr hat die Befugniß der Verlängerung oder Abkürzung, auch in außerordentlichen hoffentlich nie eintretenden Fällen, der Auflösung ohne förmlichen Landtagsschluß. Dann werden binnen drei Monaten neue Wahlen ausgeschrieben; oder geschiehet dies nicht, so ist es stillschweigende Anerkennung der fortdauernden Gültigkeit der alten Wahl.

§ 54. Nach geschlossenem oder aufgehobenem Landtag ist jede weitere förmliche Berathschlagung oder Handlung des Landesabgeordneten gesetzwidrig und daher nichtig.

§ 55. Alle Abgeordneten erhalten täglich drei Thaler Diäten, mit Einschluß des Tages ihrer Ankunft und Abreise, der Landtagsdirector das Doppelte aus einer von den drei Ständen gemeinschaftlich zu bildenden Klasse.

Fünfter Titel.
Geschäftskreis des Landtagsdirectors, des Ausschusses und des Landsyndicus

§ 56. Der Landtagsdirector, jedesmal nur für die Dauer des Landtags gewählt, mit dem seine Amtsführung beginnt, dauert und endigt, läßt sich mit dem Director jedes höhern Collegii vergleichen. Ihm werden die landesherrlichen Erlasse behändigt, er legt sie dem Landtag zur Berathung und Beantwortung vor, und unterzeichnet mit den drei Ausschußdeputirten alle Ausfertigungen des Landtags. An ihn sind alle Eingaben überschrieben, er wacht darüber, daß nichts vorfalle, was dem Landtag die allgemeine Achtung entziehen könnte, und seine Stelle ist in jedem Betracht ein Ehrenamt.

§ 57. Die drei Ausschußdeputirten vertreten die Gesammtheit der Landesabgeordneten überall, wo diese selbst nicht wirksam seyn können. In eiligen, die Rechte der Stände betreffenden, Fällen, wenn dem Lande Gefahren drohen, wo jeder Verzug, jede Bekanntwerdung schaden würde, sind sie es, mit denen die Regierung Rath pflegen wird. Sie können indessen keine bleibende Verbindlichkeiten für das Land eingehen, und sind den Landesabgeordneten verantwortlich.

§ 58. Die drei Ausschußdeputirten bilden, unter dem Directorio des jedesmaligen Regierungschefs, das Landcassen-Administrationscollegium. Dieser Behörde liegt es ob, jährlich alle landschaftliche Kassenrechnungen, wozu auch die Militairkassenrechnung gehört, durchzusehen und abzunehmen. Die Ausschußdeputirten, welche dem Landtag Rechenschaft von dem Zustand der Kassen, mit ihren Vorschlägen und Bemerkungen, ablegen, erhalten Abschrift der Rechnungen und des Abnahmeprotocolls.

§ 59. Der Syndicus führt, als Secretair des Landtags, über alle eingehende Sachen und darauf gefaßte Beschlüsse ein vollständiges tabellarisches Verzeichniß, und in den Versammlungen das Protocoll. Er verfertigt die Gutachten und alle andern Aufsätze in ständischen Angelegenheiten, ohne selbst dabei ein Votum zu haben; er muß die Registratur wohl verwahren und zur schnellen Auffindung der benöthigten Acten in größester Ordnung erhalten.

§ 60. Über den zu bestimmenden Gehalt und die Emolumente der Ausschußdeputirten und des Landsyndicus aus der zu bildenden allgemeinen Kasse werden die Landesabgeordneten Vorschläge zur landesherrlichen Genehmigung zu eröffnen haben

Wahlvorschrift für das Fürstenthum Lippe

(hier vorläufig nicht wiedergegeben)

Paulina

Vollkommen beistimmend
Leopold, Erbprinz zur Lippe

v. Funk
Helwing
Petri
v. Meien
Clausing