Verfassung der freien und Hansestadt Lübeck

in der revidierten Fassung am 7. April 1875 durch den Senat neu bekanntgemacht

geändert durch
Rats- und Bürgerschluss vom 21. Juli 1879, Rats- und Bürgerschluss vom 13. Februar 1899 (GVS S. 6), Rats- und Bürgerschluss vom 13. März 1899 (GVS S. 10), Rats- und Bürgerschluss vom 15. Dezember 1902, Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 (GVS. Nr. 72), Rats- und Bürgerschluss vom 28. März 1906 (GVS S. 50), Rats- und Bürgerschluss vom 17. Juli 1907 (GVS S. 51, Nr. 48)

faktisch aufgehoben durch die Neubekanntmachung der
Verfassung vom 2. Oktober 1907 (GVS S. 135)
 

Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Der Lübeckische Freistaat bildet unter der Benennung "die freie und Hansestadt Lübeck" einen selbstständigen Staat des Deutschen Reiches.

Art. 2. Angehörige des Lübeckischen Freistaates sind Diejenigen, deren Lübeckische Staatsangehörigkeit nach Maaßgabe der Reichsgesetzgebung begründet ist.

Art. 3. Bürger des Lübeckischen Freistaates sind diejenigen Lübeckischen Staatsangehörigen, welche den Staatsbürgereid geleistet und das erworbene Bürgerrecht nicht wieder verloren haben.

Art. 4. Die Staatsgewalt steht dem Senate und der Bürgerschaft gemeinschaftlich zu.

Für die Ausübung derselben sind die Bestimmungen dieser Verfassung maaßgebend.

Zweiter Abschnitt.
Der Senat.

Art. 5. Der Senat besteht aus vierzehn Mitgliedern.

Von denselben müssen stets acht dem Gelehrtenstande angehören, und unter diesen wenigstens sechs Rechtsgelehrte sein.

Die übrigen sechs Mitglieder dürfen dem Gelehrtenstande nicht angehören; unter ihnen müssen wenigstens fünf Kaufleute sich befinden.

Art. 6. Wählbar zum Senatsmitgliede ist, wiewohl unter Berücksichtigung des Art. 5, jeder zum Mitgliede der Bürgerschaft wählbare Bürger des Lübeckischen Freistaates, wenn er das dreißigste Lebensjahr vollendet hat.

Ausgeschlossen von der Wahl ist Derjenige, dessen Vater, Sohn, Vollbruder, Halbbruder, Stiefvater, Stiefsohn, Schwiegervater, Schwiegersohn oder offener Handelsgesellschafter bereits Mitglied des Senates ist.

Art. 7. § 1. Wenn zur Wahl eines Mitgliedes des Senates zu schreiten ist, ruft der Senat die Bürgerschaft (Art. 19) zusammen. Nachdem die letztere versammelt ist, zeigt der Senat derselben durch Commissare an, wie viele von seinen Mitgliedern zur Vornahme der Wahl sich eingefunden haben, und fordert die Bürgerschaft auf, eine gleich große Anzahl aus den in ihrer Versammlung Erschienenen zu Wahlbürgern zu erwählen. Die Wahlbürger werden von den Commissaren in den Rathssaal geführt, die Bürgerschaft selbst wird entlassen.

§ 2. Die Mitglieder des Senates und die Wahlbürger treten darauf zu einer Wahlversammlung zusammen und leisten, nachdem der im Senate den Vorsitz führende Bürgermeister (Art. 14) die das Verfahren bei der Wahl bestimmenden Vorschriften der Verfassung verlesen hat, folgenden Eid:
    Ich schwöre und gelobe zu Gott, daß ich bei der jetzt vorzunehmenden Wahl eines Mitgliedes des Senates die bestehenden Vorschriften genau befolgen, über Alles, was in den Wahlkammern oder unter den Obmännern gesprochen werden wird, das strengste Stillschweigen beobachten und nur Demjenigen meine Stimme geben will, welcher nach meiner Überzeugung der Würdigste ist. So wahr mir Gott helfe !

Der im Senate den Vorsitz führende Bürgermeister liest diese Eidesformel vor und alle Anwesenden sprechen die Worte: Ich schwöre es !

§ 3. Sodann werden drei aus je zwei Mitgliedern des Senates und je zwei Wahlbürgern bestehende Wahlkammern durch das Loos gebildet, in der Art, daß zuerst unter die Mitglieder des Senates und hierauf unter die Wahlbürger Loose ausgetheilt werden, von denen jedesmal zwei mit der Nummer I., zwei mit der Nummer II., zwei mit der Nummer III. bezeichnet, die übrigen aber unbezeichnet sind.

§ 4. Jede Wahlkammer begiebt sich in das für sie bestimmte Wahlzimmer. Die in dem Rathssaale zurückbleibenden Senatsmitglieder und Wahlbürger erwählen durch das Loos aus ihrer Mitte zwei Mitglieder des Senates und zwei Wahlbürger zur Entgegennahme und Aufzeichnung der Stimmzettel bei einer etwanigen allgemeinen Wahl (§§ 9 und 10).

§ 5. Die Mitglieder der Wahlkammern dürfen bis zur Beendigung ihres Wahlgeschäftes nicht leise mit Jemanden reden, auch nicht das Wahlzimmer verlassen. Von keiner Wahlkammer und von keinem Mitgliede derselben darf an eine andere Wahlkammer oder an ein Mitglied der anderen Wahlkammern, auch nicht an die im Rathssaale Zurückgebliebenen, und eben so wenig von diesen an jene, irgend eine Mittheilung erfolgen.

§ 6. In jeder Wahlkammer führt das seinem Amte nach älteste Mitglied des Senates den Vorsitz.

Die Wahlhandlung wird damit eröffnet, daß die Mitglieder der Wahlkammer einzeln diejenigen Bürger nennen, welche sie zur Besetzung des erledigten Amtes vorzugsweise für geeignet halten.

In keiner Wahlkammer darf ein in ihr selbst sitzender Wahlbürger genannt, Mitglieder der anderen Wahlkammern können dagegen in Vorschlag gebracht werden.

§ 7. Nachdem hierauf die von dem Vorsitzenden angefertigte Liste sämmtlicher genannten Personen durch Ausscheiden der nach den Bestimmungen der Verfassung nicht Wählbaren berichtigt ist, fordert der Vorsitzende die Mitglieder der Wahlkammer zu einer freimüthigen Besprechung über alle Diejenigen auf, deren Namen auf der Liste geblieben sind.

§ 8. Nach beendigter Umsprache wird zur Wahl des von der Kammer Vorzuschlagenden geschritten, indem jedes Mitglied derselben den Namen Desjenigen aufschreibt, welchen es unter den auf der Wahlliste Gebliebenen für den Würdigsten hält. Sind wenigstens drei Stimmen für eine und dieselbe Person abgegeben, so ist diese von der Wahlkammer vorzuschlagen. Vertheilen sich dagegen die abgegebenen Stimmen über drei oder vier Personen und wird auch bei wiederholter Umstimmung die zum Vorschlag erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht, so wird ein Obmann durch das Loos aus der Mitte der Wahlkammer bestimmt, zum Zweck der Entscheidung darüber, welche von denjenigen Personen, welche nur eine Stimme erhalten haben, auf der Wahlliste zu streichen ist, worauf über die auf derselben verbleibenden Personen von Neuem abgestimmt wird.

Sollte sich unter zwei Personen Stimmengleichheit ergeben und diese durch eine wiederholte Umstimmung nicht gehoben sein, so wird ebenfalls mit der Ausloosung eines Obmanns aus der Mitte der Wahlkammer verfahren, welcher in diesem Falle zu entscheiden hat, wer von den in Frage stehenden zwei Personen durch die Wahlkammer vorzuschlagen ist.

§ 9. Sobald eine Wahlkammer ihr Geschäft beendigt hat, läßt sie dem im Senate den Vorsitz führenden Bürgermeister davon Anzeige machen. Nachdem diese Anzeige von allen drei Wahlkammern geschehen ist, werden die Mitglieder derselben aufgefordert, sich wieder in den Rathssaal zu begeben. Der Vorsitzende jeder Wahlkammer nennt sodann den von dieser Vorgeschlagenen. Haben sämmtliche Wahlkammern dieselbe Person in Vorschlag gebracht, so erklärt der im Senate den Vorsitz führende Bürgermeister diese sofort als zum Mitgliede des Senates erwählt. Sind aber zwei oder drei verschiedene Personen vorgeschlagen, so ist durch die Wahlversammlung einer der Vorgeschlagenen, nach unbedingter Stimmenmehrheit, durch geheime Abstimmung mittelst Stimmzettel, zu wählen, ohne daß eine weitere Besprechung über die in Vorschlag gebrachten Personen stattfindet.

§ 10. Wenn unter drei Vorgeschlagenen die Stimmen sich dergestalt vertheilen, daß keiner derselben die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen erhält, so wird die Wahl unter Weglassung Desjenigen, auf welchen die wenigsten Stimmen gefallen sind, fortgesetzt.

Sollten jedoch alle drei Vorgeschlagenen oder zwei derselben neben dem Dritten eine gleiche Stimmenzahl erhalten, so wird zuvörderst versucht, durch eine Wiederholung der Abstimmung die Stimmengleichheit zu beseitigen; mißlingt aber dieser Versuch, so werden aus sämmtlichen Theilnehmern an der Wahlhandlung fünf Obmänner ausgelooset, welche in ein besonderes Zimmer treten und dort nach Stimmenmehrheit zu entscheiden haben, wer von derjenigen Vorgeschlagenen, auf welche eine gleiche Stimmenzahl gefallen ist, von der Wahlliste wegzulassen ist, worauf über die auf derselben verbleibenden Personen von Neuem abgestimmt wird.

Ergiebt sich Stimmengleichheit für zwei auf der Wahlliste verbliebene Personen und wird auch diese bei einer nochmaligen Umstimmung nicht beseitigt, so wird in gleicher Weise mit der Ausloosung von fünf Obmännern verfahren, welche in diesem Falle nach Stimmenmehrheit über einen der beiden Vorgeschlagenen sich zu vereinigen haben. Der von ihnen Genannte wird sodann durch den im Senate den Vorsitz führenden Bürgermeister für gewählt erklärt.

Würde einer der Wahlbürger selbst unter den von den Wahlkammern Vorgeschlagenen oder unter denjenigen sich befinden, welche nach wiederholtem Wahlversuche gleich viele Stimmen erhalten haben, so kann er zwar in jenem Falle an der Wahl Theil nehmen, in diesem aber nicht zum Obmann ausgeloostet werden.

Art. 8. Jede im Senate erledigte Stelle muß innerhalb vier Wochen wieder besetzt werden.

Sollten mehrere Stellen im Senate gleichzeitig erledigt sein, so sind die verschiedenen Wahlen an verschiedenen Tagen vorzunehmen. Bei jeder Wahl ist das vorgeschriebene Verfahren aufs Neue einzuleiten.

Art. 9. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl zum Mitgliede des Senates findet nicht Statt. Auch steht der Austritt aus dem Senate jederzeit frei.

Art. 10. In der nächsten nach der Wahl stattfindenden Versammlung des Senates wird das neu erwählte Mitglied in Gegenwart des Bürgerausschusses (Art. 53) feierlich eingeführt und leistet folgenden Eid:
    Als neu erwähltes Mitglied des Senates dieser freien Stadt gelobe und schwöre ich zu Gott:
        Ich will meinem Amte gewissenhaft vorstehen, das Wohl des Staates nach allen meinen Kräften erstreben, die Verfassung desselben getreu befolgen, das öffentliche Gut redlich verwalten und bei meiner Amtsführung, namentlich auch bei allen Wahlen, weder auf eigenen Vortheil noch auf Verwandtschaft oder Freundschaft Rücksicht nehmen. Ich will die Gesetze des Staates handhaben und Gerechtigkeit üben gegen Jeden, er sei reich oder arm. Ich will auch verschwiegen sein in Allem, was Verschwiegenheit erfordert, besonders aber will ich geheim halten, was geheim zu halten mir geboten wird. So wahr mir Gott helfe !

Art. 11. Die Mitglieder des Senates bekleiden ihr Amt lebenslänglich und beziehen während ihrer Amtsführung die durch das Gesetz festgestellten Honorare.

Wann und in welcher Weise eine Versetzung von Senatsmitgliedern in den Ruhestand, unter Gewährung eines Ruhegehaltes, stattfindet, so wie in welchen Fällen ein Mitglied zum Austreten aus dem SEnate verpflichtet ist oder genöthigt werden kann, ist durch die betreffenden Gesetze bestimmt.

Art. 12. Jedes Mitglied des Senates muß in der Stadt Lübeck oder in einer Vorstadt derselben, in letzterem Falle mit der Verpflichtung, ein zu bestimmten Zeiten zugängliches Geschäftszimmer in der Stadt zu halten, seinen regelmäßigen Wohnsitz haben, oder durch, sofern dies bei seinem Eintritt in den Senat nicht der Fall sein sollte, binnen drei Monaten daselbst nehmen.

Art. 13. Die aus dem Gelehrtenstande erwählten Mitglieder des Senate dürfen kein Gewerbe betreiben, auch ohne vorgängige Genehmigung des Senates kein Nebenamt und keine Nebenbeschäftigung, mit welchen eine fortlaufende Remuneration verbunden ist, übernehmen.

Dieselbe Genehmigung ist zum Eintritt derselben in den Vorstand, Verwaltungs- oder Aufsichtsrath einer jeden auf Erwerb gerichteten Gesellschaft erforderlich. Sie darf jedoch nicht ertheilt werden, sofern die Stelle mittelbar oder unmittelbar mit einer Remuneration verbunden ist.

Die ertheilte Genehmigung ist jederzeit widerruflich.

Art. 14. Der Vorsitzende des Senates wird von diesem für die Dauer von zwei Jahren aus seiner Mitte gewählt und führt während dieser Amtsführung den Titel Bürgermeister.

Seine Wahl geschieht in der Weise durch geheime Abstimmung nach unbedingter Stimmenmehrheit, daß, wenn letztere nicht sofort bei der ersten Abstimmung erlangt wird, unter den beiden Personen, auf welche die meisten Stimmen gefallen sind, abermals zu wählen ist.

Ergiebt sich Stimmengleichheit, so ist nach Anleitung des Art. 7 § 10 Abs. 2 und 3 zu verfahren.

Der vom Vorsitz Abtretende kann nicht sofort wieder gewählt werden.

Im Falle der Vorsitzende während seiner Amtsführung aus dem Senate ausscheidet, wird sein Nachfolger nur für die Dauer der dem Vorgänger zuständig gewesenen Amtsführung gewählt. Der Gewählte verliert jedoch dadurch seine Wählbarkeit bei der nächsten Wahl nicht.

Art. 15. In Verhinderungsfällen wird der Bürgermeister durch dasjenige Mitglied des Senates vertreten, welches zunächst vor ihm den Vorsitz im Senate gehabt hat.

Sollte ein Mitglied des Senates, welches in demselben bereits den Vorsitz geführt hat, nicht vorhanden sein, so wählt der Senat für die Dauer der Amtsführung des derzeitigen Bürgermeisters den Vertreter im Vorsitze in der für die Wahl des Bürgermeisters vorgeschriebenen Weise.

Art. 16. Die Vertheilung der Geschäfte unter die Mitglieder des Senates (die Rathssetzung) findet alle zwei Jahre im Anfange des Monats December statt; die Rathssetzung tritt mit dem Anfange des nächsten Jahres in Kraft. Es steht jedoch dem Senate frei, bei außerordentlichen Veranlassungen auch in der Zwischenzeit Änderungen in der Vertheilung der Geschäfte vorzunehmen.

Die Rathssetzung beginnt mit der Wahl des Bürgermeisters.

Demnächst treten der derzeitige Bürgermeister, der zu seinem Amtsnachfolger Gewählte und drei Mitglieder des Senates, welche dieser zuvor mittelst unbedingter Stimmenmehrheit erwählt hat, zusammen. Diese fünf Personen bestimmen, nöthigenfalls nach Stimmenmehrheit, die Vertheilung der Geschäfte sowie den Vorsitz in den einzelnen Behörden, worauf in der nächsten Versammlung des Senates die Rathssetzung verlesen und sofort öffentlich bekannt gemacht wird.

Art. 17. Die Protokollführung im Senate und die Leitung der Senatskanzlei ist zwei Secretairen, die Aufsicht über das Staatsarchiv einem Archivar übertragen. Die Wahl derselben steht dem Senate zu.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 13. Februar 1899 erhielt der Art. 17 folgende Fassung:
"Art. 17. Die Protokollführung im Senate und die Leitung der Senatskanzlei ist drei Sekretären, die Aussicht über das Staatsarchiv einem Archivar übertragen.
Die Wahl derselben steht dem Senate zu."

Art. 18. Dem Senate allein ist die Leitung sämmtlicher Staatsangelegenheiten anvertraut, insoweit nicht die nachfolgenden Bestimmungen eine Mitwirkung oder Zustimmung der Bürgerschaft in ihrer Gesammtheit (Art. 20-52) oder des Bürgerausschusses (Art. 53-72) ausdrücklich vorschreiben.

Die Gemeindeangelegenheiten der Stadt Lübeck werden, so lange und insoweit das Gesetz nicht etwas Anderes bestimmt, vom Senate in derselben Weise, wie die Angelegenheiten des Staates, unter Mitwirkung oder Zustimmung der Bürgerschaft, beziehungsweise des Bürgerausschusses, geleitet.

Dritter Abschnitt.
Die Bürgerschaft.

Art. 19. Die Bürgerschaft besteht aus einhundertundzwanzig Mitgliedern (Vertretern). Sie übt ihre Thätigkeit theils in ihrer Gesammtheit (Art. 20-52), theils durch einen Ausschuß (Art. 53-72) aus

I. Die Bürgerschaft in ihrer Gesammtheit.

Art. 20. Zur Theilnahme an der Wahl der Vertreter sind, vorbehältlich der Bestimmungen des Art. 21., alle Bürger des Lübeckischen Freistaates (Art. 3) berechtigt, welche in demselben ihren regelmäßigen Wohnsitz haben.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 15. Dezember 1902 erhielt der Art. 20 folgende Fassung:
"Artikel 20. Wortlaut nicht bekannt (Einführung des Zensuswahlrechts).

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Art. 20 folgende Fassung:
"Artikel 20. Zur Teilnahme an der Wahl der Vertreter ist jeder Bürger des lübeckischen Freistaates (Artikel 3) berechtigt, der das 25. Lebensjahr vollendet, seit Beginn des 1. April des vierten dem Jahre der Wahl vorangehenden Jahres dauernd seinen Wohnsitz im lübeckischen Staatsgebiete gehabt und während dieser Zeit alljährlich Einkommensteuer bezahlt hat."

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 17. Juli 1907 erhielt der Art. 20 folgende Fassung:
"Artikel 20. Zur Teilnahme an der Wahl der Vertreter ist jeder Bürger des lübeckischen Freistaates berechtigt, der das 25. Lebensjahr vollendet, seit Beginn des vierten, der Wahl vorangehenden Steuerjahres dauernd seinen Wohnsitz im lübeckischen Staatsgebiet gehabt und während dieser Zeit alljährlich mindestens so viel an Einkommensteuer gezahlt hat, als für ein Einkommen in Höhe des niedrigsten steuerpflichtigen Betrages von ihm zu entrichten war.
Steuerbeträge, von deren Zahlung der Steuerpflichtige aus einem gesetzlichen Grunde befreit war, werden als gezahlt angesehen.
Im Jahre der Wahl muß dem Erfordernis der Einkommensteuerzahlung für die Zeit bis zum 30. Juni entsprochen sein. Bei außerordentlichen Ersatzwahlen tritt an Stelle dieses Tages der letzte Tag desjenigen Kalendervierteljahres, welches zur Zeit der Bestimmung des Wahltages durch den Bürgerausschuß abgelaufen war.
Die in Lübeck wohnhaften Ehrenbürger sind zur Teilnahme an der Wahl berechtigt, auch wenn die Voraussetzungen dieses Artikels nicht vorliegen.
Übergangsbestimmung. Diejenigen Bürger, welche bis zum 15. Dezember 1902 das Bürgerrecht erworben haben und nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen an der Wahl der Vertreter teilzunehmen berechtigt waren, bleiben zur Teilnahme an der Wahl der Vertreter berechtigt, auch wenn die Voraussetzungen des Artikels 20 der abgeänderten Verfassung nicht vorliegen.
Die Bestimmungen des Art. 21 finden auch auf diese Bürger Anwendung."

Art. 21. Von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen sind:
1) Diejenigen, welche unter Curatel stehen;
2) Diejenigen, über deren Vermögen Concurs gerichtlich eröffnet worden ist, bis sie von allen Ansprüchen ihrer Gläubiger befreit sind;
3) Diejenigen, welche ein Armenunterstützung aus öffentlichen oder Gemeindemitteln beziehen oder im letzten der Wahl vorausgegangenen Kalenderjahre bezogen haben;
4) Diejenigen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte rechtskräftig aberkannt sind, für die Dauer des Verlustes dieser Rechte.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 15. Dezember 1902 erhielt der Art. 21 folgende Fassung:
"Artikel 21. Wortlaut nicht bekannt (Einführung des Zensuswahlrechts).

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Artikel 21 folgende Fassung:
"Art. 21. Von der Ausübung des Wahlrechts sind ausgeschlossen:
1. diejenigen, welche unter Vormundschaft stehen;
2. diejenigen, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet ist, bis nach Beendigung des Verfahrens;
3. diejenigen, über deren Vermögen während eines Zeitraumes von 5 Jahren vor der Wahl das Konkursverfahren wegen mangelnder Masse entweder nicht eröffnet oder eingestellt ist;
4. diejenigen, welche während eines Zeitraumes von 5 Jahren vor der Wahl den Offenbarungseid (Zivilprozeßordnung § 807) geleistet oder sich darauf berufen haben;
5. diejenigen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen oder im letzten der Wahl vorausgegangenen Jahre bezogen haben."

Art. 22. Wer an der Wahl der Vertreter Theil zu nehmen berechtigt ist, kann auch zum Vertreter gewählt werden, sofern er nicht Mitglied des Senates ist.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Art. 22 folgende Fassung:
"Artikel 22. Die Wahlen zur Bürgerschaft werden in Abteilungen der Wähler vollzogen.
Es werden folgende Abteilungen gebildet:
a. Stadt und Vorstädte.
Abteilung I
Sie umfaßt diejenigen Bürger, welche in den letzten drei Steuerjahren vor der Wahl mehr als  M 2000 versteuert haben..
Es werden gewählt    90 Vertreter.
Abteilung II.
Sie umfaßt alle übrigen wahlberechtigten Bürger.
Es werden gewählt    12 Vertreter.
b. Städtchen Travemünde und Landgebiet.
Abteilung III.
Sie umfaßt diejenigen Bürger, welche einen Landbesitz von mindestens 3 ha für eigene Rechnung bewirtschaften oder in den letzten drei Steuerjahren vor der Wahl mehr als M 2000 versteuert haben.
Es werden gewählt    15 Vertreter.
Abteilung IV.
Sie umfaßt alle übrigen wahlberechtigten Bürger.
Es werden gewählt    3 Vertreter."

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 17. Juli 1907 erhielt der Art. 22 folgende Fassung:
"Artikel 22. Die Wahlen zur Bürgerschaft werden in Abteilungen der Wähler vollzogen.
Es werden folgende Abteilungen gebildet:
a. Stadt und Vorstädte.
Abteilung I
Sie umfaßt diejenigen Bürger, welche in den letzten drei Steuerjahren vor der Wahl mindestens so viel an Einkommensteuer gezahlt haben, als von ihnen für ein Einkommen von M 2100 während jener Jahre insgesamt zu zahlen war, sowie die lübeckischen Ehrenbürger.
Es werden gewählt    90 Vertreter.
Abteilung II.
Sie umfaßt alle übrigen wahlberechtigten Bürger.
Es werden gewählt    12 Vertreter.
b. Städtchen Travemünde und Landgebiet.
Abteilung III.
Sie umfaßt diejenigen Bürger, welche einen Landbesitz von mindestens 3 ha für eigene Rechnung bewirtschaften oder in den letzten drei Steuerjahren vor der Wahl mindestens so viel an Einkommensteuer gezahlt haben, als von ihnen für ein Einkommen von M 2100 während jener Jahre insgesamt zu zahlen war, sowie die lübeckischen Ehrenbürger.
Es werden gewählt    15 Vertreter.
Abteilung IV.
Sie umfaßt alle übrigen wahlberechtigten Bürger.
Es werden gewählt    3 Vertreter.
Die Bestimmung des Artikel 20 Absatz 2 findet bei Feststellung der Zugehörigkeit der Wähler zu den Abteilungen I und III entsprechende Anwendung."

Art. 23. Die Wahlen der Vertreter werden in zehn abgesonderten Wahlbezirken vorgenommen:
    der erste Wahlbezirk umfaßt das Jacobi-Quartier der Stadt Lübeck und die Vorstadt St. Gertrud;
    der zweite das Marien-Magdalenen-Quartier der Stadt Lübeck;
    der dritte das Marien-Quartier der Stadt Lübeck und die Vorstadt St. Lorenz;
    der vierte das Johannis-Quartier der Stadt Lübeck und die Vorstadt St. Jürgen;
    der fünfte das Städtchen Travemünde;
    der sechste den Travemünder Landbezirk (die Gemeinden Brodten, Gneversdorf, Teutendorf, Rönnau, Jvendorf, Pöppendorf, Dummersdorf, Kücknitz, Herrenwyk und Siems);
    der siebente den Burgthor-Landbezirk (die Gemeinden Gothmund, Israelsdorf, Schlutup, Schattin und Utecht);
    der achte den Holstenthor-Landbezirk (die Gemeinden Vorwerk, Krempelsdorf, Schönböcken, Curau, Dissau, Malkendorf und Krumbeck);
    der neunte den Mühlenthor-Landbezirk (die Gemeinden Strecknitz, Wulfsdorf, Corrade, Blankensee, Beidendorf, Crummesse, Cronsforde, Niederbüssau, Oberbüssau, Genin, Moisling, Niendorf, Reecke und Moorgarten);
    der zehnte den Ritzerauer Landbezirk (die Gemeinden Düchelsdorf, Sierksrade, Hollenbeck, Behlendorf, Albsfelde, Giesensdorf, Harmsdorf, Nusse, Ritzerau, Poggensee, Groß-Schretstaken, Klein-Schretstaken und Tramm).

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 13. März 1899 wurde der Art. 23 hinsichtlich der Abgrenzung des zweiten und dritten Wahlbezirkes wie folgt abgeändert:
"der zweite das Marien-Magdalenen-Quartier der Stadt Lübeck und den nördlichsten Theil der Vorstadt St. Lorenz,
der dritte das Marien-Quartier der Stadt Lübeck und den südwestlichen Theil der Vorstadt St. Lorenz.
    Die Grenzlinie zwischen dem nordöstlichen und dem südwestlichen Theile der Vorstadt verläuft in der Mitte der Fackenburger Allee."

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Art. 23 folgende Fassung:
"Artikel 23. Die Wahl der Vertreter in Abteilung I und II wird in folgenden Wahlbezirken vorgenommen:
1) Jakobi-Quartier und Vorstadt St. Gertrud.
    Es werden gewählt in Abteilung I. 22 Vertreter.
    Es werden gewählt in Abteilung II. 3 Vertreter.
2) Marien-Magdalenen-Quartier und der nordöstliche Teil der Vorstadt St. Lorenz.
    Es werden gewählt in Abteilung I. 23 Vertreter.
    Es werden gewählt in Abteilung II. 3 Vertreter.
3) Marien-Quartier und der südwestliche Teil der Vorstadt St. Lorenz.
    Es werden gewählt in Abteilung I. 23 Vertreter.
    Es werden gewählt in Abteilung II. 3 Vertreter.
    Die Grenzlinie zwischen dem nordöstlichen und dem südwestlichen Teile der Vorstadt St. Lorenz verläuft in der Mitte der Fackenburger Allee.
4) Johannis-Quartier und Vorstadt St. Jürgen.
    Es werden gewählt in Abteilung I. 22 Vertreter.
    Es werden gewählt in Abteilung II. 3 Vertreter.
Die Wahl der Vertreter in Abteilung III wird in folgenden Wahlbezirken vorgenommen:
5) Städtchen Travemünde.
    Es werden gewählt 2 Vertreter.
6) Travemünder Landbezirk (die Gemeinden Brodten, Gneversdorf, Teutendorf, Rönnau, Jvendorf, Pöppendorf, Dummersdorf, Kücknitz, Herrenwyk und Siems).
    Es werden gewählt 2 Vertreter.
7) Burgtor-Landbezirk (die Gemeinden Gothmund, Israelsdorf, Schlutup, Schattin und Utecht).
    Es werden gewählt 3 Vertreter.
8) Holstentor-Landbezirk (die Gemeinden Vorwerk, Krempelsdorf, Schönböcken, Curau, Dissau, Malkendorf und Krumbeck).
    Es werden gewählt 2 Vertreter.
9) Mühlentor-Landbezirk (die Gemeinden Strecknitz, Wulfsdorf, Corrade, Blankensee, Beidendorf, Crummesse, Cronsforde, Niederbüssau, Oberbüssau, Genin, Moisling, Niendorf, Reecke und Moorgarten).
    Es werden gewählt 3 Vertreter.
10) Ritzerauer Landbezirk (die Gemeinden Düchelsdorf, Sierksrade, Hollenbeck, Behlendorf, Albsfelde, Giesensdorf, Harmsdorf, Nusse, Ritzerau, Poggensee, Groß-Schretstaken, Klein-Schretstaken und Tramm).
    Es werden gewählt 3 Vertreter.
Für die Wahl der Vertreter in Abteilung IV bilden die Bezirke 5 und 6, 7 und 8, sowie 9 und 10 zusammen je einen Wahlbezirk. In jedem dieser 3 Wahlbezirke wird 1 Vertreter gewählt."

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 28. März 1906 wurde im Artikel 23 Ziffer 7 bei den Gemeinden nach "Schlutup, " dann "Wesloe, " eingefügt.

Art. 24. Die Zahl der von jedem Wahlbezirke zu ernennenden Vertreter richtet sich nach dem Verhältnisse der Bevölkerung desselben zu der Gesammtbevölkerung des Lübeckischen Freistaates. Dieselbe wird durch eine vom Senate nach dem Ergebnisse der jeweiligen letzten Volkszählung zu erlassende Verordnung bestimmt.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 24 (durch Überschreiben) aufgehoben.

Art. 25. Jeder Wähler kann sein Wahlrecht nur persönlich und nur in demjenigen Wahlbezirke ausüben, in welchem er seinen regelmäßigen Wohnsitz hat.

Dagegen ist die Wählbarkeit in einem Wahlbezirke nicht durch den Wohnsitz desselben bedingt.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 25 zum Artikel 24 und deren Absatz 2 wurde (durch Überschreiben) gestrichen.

Art. 26. Die Mitglieder der Bürgerschaft vertreten nicht den Wahlbezirk, in welchem sie gewählt sind, sondern die Gesammtheit aller Staatsangehörigen. Sie sind von keinerlei Instructionen abhängig, haben vielmehr lediglich ihrer Überzeugung von dem, wa sdas Wohl des Staates fordert, zu folgen.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 26 zum Artikel 25 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 25. Wer an der Wahl der Vertreter teilzunehmen berechtigt ist, kann auch zum Vertreter gewählt werden, sofern er nicht Mitglied des Senates ist. Die Wählbarkeit in einem Bezirk und einer Abteilung ist nicht durch das Wohnen in dem Bezirk und nicht durch die Zugehörigkeit zu der Abteilung bedingt.
Die Mitglieder der Bürgerschaft vertreten nicht den Wahlbezirk und die Abteilung, in denen sie gewählt sind, sondern die Gesamtheit aller Staatsangehörigen. Sie sind von keinerlei Weisung abhängig, haben vielmehr lediglich ihrer Überzeugung von dem, was das Wohl des Staates fordert zu folgen."

Art. 27. Die Mitglieder der Bürgerschaft werden auf sechs Jahre erwählt.

Alle zwei Jahre treten Diejenigen aus, welche sechs Jahre zuvor in die Bürgerschaft gewählt sind und werden zugleich mit den im Laufe der letzten zwei Jahre ausgeschiedenen Vertretern durch neue Wahlen ersetzt.

Die austretenden Mitglieder können sofort wiedergewählt werden.

Die Thätigkeit der neu gewählten Mitglieder der Bürgerschaft beginnt mit der am dritten Montage im Julimonat stattfindenden regelmäßigen Versammlung der Bürgerschaft.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Artikel 27 folgende Fassung:
"Artikel 27. Die Vertreter werden auf 6 Jahre gewählt. Scheidet ein Vertreter vorzeitig aus, so findet für den Rest seiner Amtszeit eine Ersatzwahl statt.
Mit dem ersten Montag im Dezember jedes zweiten Jahres scheiden diejenigen Vertreter aus, die sechs Jahre zuvor, sowie diejenigen, die für den Rest der Amtszeit von sechs Jahren zuvor gewählten Vertretern in die Bürgerschaft gewählt sind:
Die Wahlen finden regelmäßig alle zwei Jahre statt. Sobald jedoch die Zahl der vorhandenen Vertreter auf 108 gesunken ist, muß die Ersatzwahl für die vorzeitig ausgeschiedenen Vertreter ohne Verzug vorgenommen werden, wenn nicht innerhalb der nächsten sechs Monate die regelmäßigen Wahlen bevorstehen.
Ausgeschiedene Vertreter können sofort wiedergewählt werden."

Art. 28. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl findet nicht statt; doch gilt die Wahl für angenommen, wenn der Gewählte nicht innerhalb sieben Tagen, nachdem er die Anzeige von seiner Wahl erhalten, dem Wortführer der Bürgerschaft (Art. 34) die Ablehnung angezeigt hat.

Der Austritt aus der Bürgerschaft ist ohne Angabe von Gründen gestattet. Derselbe erfolgt durch eine an den Wortführer der Bürgerschaft gerichtete schriftliche Erklärung.

Treten bei einem Mitgliede der Bürgerschaft Verhältnisse ein, durch welche es seine Wählbarkeit verliert (Art. 21), so ist dasselbe verpflichtet, aus der Bürgerschaft auszutreten.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 28 zum Artikel 26 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 26. Eine Verpflichtung zur Annahme der Wahl besteht nicht. Die Wahl gilt als angenommen, wenn der Gewählte nicht innerhalb sieben Tagen, nachdem er die Anzeige von seiner Wahl erhalten, dem Wortführer der Bürgerschaft die Ablehnung angezeigt hat.
Der Austritt aus der Bürgerschaft ist ohne Angabe von Gründen gestattet. Er geschieht durch eine an den Wortführer der Bürgerschaft gerichtete schriftliche Erklärung.
Der Vertreter ist verpflichtet, aus der Bürgerschaft auszutreten, wenn er seinen Wohnsitz im lübeckischen Staatsgebiet aufgibt, oder wenn er nach Artikel 21 und 25 der Verfassung nicht mehr berechtigt sein würde, zum Vertreter gewählt zu werden.
Über die Frage, ob ein Vertreter seine Wählbarkeit verloren hat, entscheiden die vereinigten Geschäftsvorstände der Bürgerschaft und des Bürgerausschusses."

Art. 29. Wenn in Gemäßheit der im Art. 28 erwähnten Fälle oder durch Tod mehr als zwanzig Bürgerschafts-Mandate erledigt sind, so müssen an Stelle der Ausgeschiedenen für die Zeitdauer ihres Mandats Ersatzmänner gewählt werden, falls nicht innerhalb der nächsten sechs Monate die ordentlichen Neuwahlen (Art. 30) bevorstehen.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 29 zum Artikel 28 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 29. In den einzelnen Abteilungen der städtischen und vorstädtischen Bezirke und in den einzelnen Bezirken des Städtchens Travemünde und des Landgebietes werden alle zu wählenden Vertreter in einem Wahlgange gewählt. Als gewählt gelten diejenigen, welche die meisten Stimmen erhalten haben.
Sind in einer Abteilung oder einem Bezirke Vertreter auf Wahlzeiten von verschiedener Dauer zu wählen, so gelten diejenigen, auf welche sich die höchsten Stimmenzahlen vereinigt haben, für die längsten und die übrigen nach der Reihenfolge ihrer Stimmenzahl je für die kürzeren Wahlzeiten als gewählt.
In Fällen von Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden des Wahlvorstandes oder, wenn in mehreren Unterbezirken (Artikel 30 Abs. 3) gewählt ist, vom Wortführer der Bürgerschaft zu ziehende Los.
Wer in mehreren Bezirken oder Abteilungen gewählt ist, gilt da als gewählt, wo er die meisten Stimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Wortführer der Bürgerschaft zu ziehende Los.
Ersatzwahlen für diejenigen, welche mehrfach gewählt sind oder die Wahl abgelehnt haben, werden nach Maßgabe der Bestimmungen im Abs. 3 von Artikel 27 vorgenommen."

Art. 30. Die Wahlversammlungen für die Bürgerschaft finden alle zwei Jahre statt und zwar für de sechs letzten Wahlbezirke am ersten, dritten, fünften, siebenten, neunten und elften, für die vier ersten am vierzehnten, siebenzehnten, zwanzigsten und dreiundzwanzigsten Werktage des Junimonates.

Die Reihenfolge, in welcher die einzelnen Bezirke die Wahlen vorzunehmen haben, wird im Aprilmonate von dem Bürgerausschusse durch das Loos bestimmt und von dem Wortführer der Bürgerschaft durch das Lübeckische Amtsblatt bekannt gemacht.

Zu den Wahlversammlungen eines jeden Bezirkes beruft der Wortführer der Bürgerschaft die zur Theilnahme an derselben Berechtigten sieben Tage vorher mittelst Aufforderung durch das Lübeckische Amtsblatt, die Wähler in den ländlichen Wahlbezirken außerdem durch Veranlassung der ortsüblichen Bekanntmachung.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 30 zum Artikel 29 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 29. Die Wahlen zur Bürgerschaft finden in den ersten zwanzig Tagen des November statt. Sie erfolgen gleichzeitig an einem Tage in allen Bezirken und Abteilungen des Städtchens Travemünde und des Landgebietes und an einem späteren Tage gleichzeitig in allen Bezirken und Abteilungen der Stadt und der Vorstädte. Die Tage der Wahl werden im September vom Bürgerausschusse bestimmt. Die Gewählten treten am ersten Montag im Dezember in die Bürgerschaft.
Wenn eine außerordentliche Ersatzwahl notwendig wird (Artikel 27 Absatz 3), hat der Bürgerausschuß den Tag der Wahl zu bestimmen, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die Gewählten treten in der auf die Bekanntmachung des Wahlergebnisses folgenden nächsten Versammlung der Bürgerschaft in diese ein.
Zu jeder Wahlhandlung beruft der Wortführer der Bürgerschaft die Wahlberechtigten mindestens 7 Tage vorher mittels Aufforderung durch das Amtsblatt, in den ländlichen Wahlbezirken außerdem durch ortsübliche Bekanntmachung."

Art. 31. Geleitet werden die Wahlversammlungen durch einen besonderen für jeden Wahlbezirk vom Bürgerausschusse alle zwei Jahre im April zu ernennenden Wahlvorstand, welcher aus einem Mitgliede des Bürgerausschusses als Vorsitzendem, und für die ersten vier Wahlbezirke aus sechs, für die anderen aber aus drei in dem betreffenden Bezirke wohnhaften Bürgern besteht. Neben diesen Mitgliedern des Wahlvorstandes hat der Bürgerausschuß eine gleich große Zahl als Stellvertreter derselben zu bezeichnen.

Die zu Mitgliedern der Bezirks-Wahlvorstände Ernannten und deren Stellvertreter sind dieser Wahl zu folgen verbunden, falls sie nicht dem Bürgerausschusse nachweisen, daß Krankheit oder eine unaufschiebbare Reise sie daran verhindern.

Zur Protokollführung in den einzelnen Wahlversammlungen wird jedem Wahlvorstande der Protokollführer der Bürgerschaft beziehungsweise dessen Vertreter (Art. 35, 56) beigeordnet.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 31 zum Artikel 30 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 30. Die Wahlhandlung wird durch einen Wahlvorstand geleitet.
In den Bezirken 1, 2, 3 und 4 wird für jede Abteilung ein besonderer Wahlvorstand gebildet. In den Bezirken 5, 6, 7, 8, 9 und 10 wird für beide Abteilungen zusammen ein Wahlvorstand gebildet.
Der Bürgerausschuß kann für einen Wahlbezirk mehrere Unterbezirke bestimmen. In diesem Falle ist für jeden Unterbezirk ein besonderer Wahlvorstand zu bilden.
Der Wahlvorstand besteht aus fünf Mitgliedern. Der Bürgerausschuß ernennt im September die Vorstandsmitglieder und die Stellvertreter für sie. Der Bürgerausschuß bestimmt den Vorsitzenden, der Mitglied der Bürgerschaft sein muß; der Vorstand bestimmt aus seiner Mitte den Schriftführer. Für außerordentliche Ersatzwahlen erfolgt die Ernennung im Anschluß an die Bestimmung des Wahltages.
Alle Mitglieder des Wahlvorstandes sollen Bürger sein. Sie sind verpflichtet, der Wahl zu folgen, falls sie nicht nachweisen, daß Krankheit oder eine unaufschiebbare Reise sie daran hindert."

Art. 32. Über die Wahlhandlung in jedem Bezirke ist ein Protokoll aufzunehmen.

Dasselbe muß die Namen aller derer enthalten, auf welche in diesem Bezirke Stimmen abgegeben sind, in der durch die Stimmenzahl beziehungsweise das Loos gebotenen Reihenfolge, bei jedem mit Angabe der auf ihn gefallenen Stimmen, und von dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes so wie von dem Protokollführer unterzeichnet werden.

Dies Protokoll ist unmittelbar nach Beendigung der Wahlhandlung nebst einer vom Protokollführer beglaubigten Abschrift dem Wortführer der Bürgerschaft zuzustellen. Dieser hat sofort das Namensverzeichniß der in dem betreffenden Bezirke gewählten Vertreter durch das Lübeckische Amtsblatt bekannt zu machen, die Abschrift des Protokolls dem Vorsitzenden des Senates zu übersenden, und den zu Vertretern Erwählten ihre Wahl schriftlich anzuzeigen.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde der Artikel 32 zum Artikel 31 und erhielt folgende Fassung:
"Artikel 31. Über die Wahlhandlung ist in jedem Bezirk und in jeder Abteilung ein Protokoll aufzunehmen. Es muß die Namen aller derer enthalten, auf welche Stimmen abgegeben sind, und zwar in der durch die Stimmenzahl oder das Los gebotenen Reihenfolge und mit Angabe der Stimmenzahl.
Das Protokoll ist vom Vorsitzenden und von dem Schriftführer zu unterzeichnen und unmittelbar nach Beendigung der Wahlhandlung dem Wortführer der Bürgerschaft zuzustellen.
Die vereinigten Geschäftsvorstände der Bürgerschaft und des Bürgerausschusses haben sowohl das Wahlergebnis als auch die Wählbarkeit der Vertreter alsbald festzustellen."

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 wurde an dieser Stelle folgender Artikel eingefügt:
"Artikel 32. Der Wortführer der Bürgerschaft hat das Namensverzeichnis der gewählten Vertreter, nach Bezirken und Abteilungen geordnet, ohne Verzug im Amtsblatt bekannt zu machen, dem Senate hiervon Nachricht zu geben, auch den Gewählten die Wahl schriftlich anzuzeigen."

Art. 33. Das bei den Wahlen im Einzelnen zu beobachtende Verfahren ist durch eine besondere Wahlordnung gesetzlich festgestellt.

Art. 34. In der ersten nach Beendigung der alle zwei Jahre stattfindenden Ergänzungswahlen (Art. 27) berufenen Versammlung erwählt die Bürgerschaft aus ihrer Mitte einen Wortführer und zwei Stellvertreter desselben auf zwei Jahre. Die Gewählten sind verpflichtet, die Wahl anzunehmen, und scheiden, wenn sie Mitglieder des Bürgerausschusses sind, aus demselben aus.

Der Wortführer kann nach Ablauf seiner Wortführung nicht sofort wieder gewählt werden. Einer später zum zweiten Male auf ihn gefallenen Wahl ist er Folge zu leisten verpflichtet, jede fernere Wahl aber abzulehnen berechtigt.

Im Falle der Wortführer während seiner Wortführung aus der Bürgerschaft ausscheidet oder als solcher auf seinen Antrag von der Bürgerschaft entlassen wird, ist sein Nachfolger nur bis zur nächsten Erneuerung der Bürgerschaft zu wählen. Letzterer verliert jedoch dadurch seine Wählbarkeit bei der nächsten Wahl nicht.

Art. 35. Die Bürgerschaft erwählt ferner einen Protokollführer auf fünf Jahre, welchem zugleich das Archiv der Bürgerschaft wie des Bürgerausschusses anvertraut ist. Derselbe hat sich durch Unterzeichnung eines gesetzlich festgestellten Reverses an Eidesstatt zur getreulichen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten zu verpflichten und erhält aus der Staatskasse eine Entschädigung für seine Bemühungen. Der abtretende Protokollführer kann sofort wiedergewählt werden.

Der Protokollführer der Bürgerschaft ist verpflichte, den Protokollführer des Bürgerausschusses (Art. 56) in Behinderungsfällen zu vertreten.

Art. 36. Die Wahl des Wortführers der Bürgerschaft ist nur dann als vollzogen zu betrachten, wenn die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen sich für eine und dieselbe Person ausgesprochen hat. Wird ein solches Ergebniß bei der ersten Wahl nicht erreicht, so ist unter den drei Personen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, und, wenn auch auf diese Weise die erforderliche Stimmenmehrheit nicht gewonnen wird, unter den beiden, für welche bei der Nachwahl die meisten Stimmen sich erklärt haben, abermals zu wählen. Wenn mehrere eine gleiche Anzahl von Stimmen erhalten haben, sei es bei der ersten Wahl, sei es bei einer Nachwahl, so entscheidet unter ihnen das Loos.

Diese Bestimmungen gelten auch für die Wahlen der Stellvertreter des Wortführers, sowie für die Wahl des Protokollführers der Bürgerschaft.

Art. 37. Die Bürgerschaft tritt auf Berufung durch den Wortführer zusammen.

Fest bestimmte Tage sind der dritte Montag in den Monaten März, Juli, September und December. Außerdem muß die Bürgerschaft berufen werden, so oft der Senat es für erforderlich erachtet oder der Bürgerausschuß es begehrt, oder wenn mindestens dreißig Mitglieder bei dem Wortführer unter Darlegung des Zweckes schriftlich darauf antragen.

Über die Zeit und den Ort der Versammlung hat der Wortführer mit dem für die Verhandlungen mit der Bürgerschaft bestellten Senatskommissar sich zu verständigen.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Artikel 37 folgende Fassung:
"Artikel 37. Die Bürgerschaft tritt auf Berufung durch den Wortführer zusammen. Fest bestimmte Tage sind der dritte Montag in den Monaten März, Juli und September, sowie der erste Montag im Dezember. Außerdem muß die Bürgerschaft berufen werden, so oft der Senat es für erforderlich erachtet oder der Bürgerausschuß es begehrt, oder wenn mindestens dreißig Mitglieder bei dem Wortführer unter Darlegung des Zweckes schriftlich darauf antragen. Über die Zeit und den Ort der Versammlung hat der Wortführer mit dem für die Verhandlungen mit der Bürgerschaft bestellten Senatskommissar sich zu verständigen."

Art. 38. Mit Ausnahme dringlicher Fälle ist jede Versammlung der Bürgerschaft vom Wortführer sieben Tage zuvor durch das Lübeckische Amtsblatt bekannt zu machen und spätestens drei Tage vor derselben jedem Vertreter ein Abdruck der zur Verhandlung kommenden Anträge des Senates nebst einer gedruckten Einladung zuzustellen.

Art. 39. Den Vorsitz in den Versammlungen und die Leitung der Geschäfte hat der Wortführer der Bürgerschaft. Ist derselbe verhindert oder wünscht er bei der Verhandlung eines Gegenstandes an der Berathung Theil zu nehmen, so tritt einer der Stellvertreter desselben für ihn ein nach Reihenfolge, welche durch die Wahl bestimmt ist.

Art. 40. Die Versammlung der Bürgerschaft ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der jeweiligen Vertreter anwesend ist.

Art. 41. In den Versammlungen der Bürgerschaft sind Commissare des Senates gegenwärtig und an der Berathung Theil zu nehmen berechtigt. Die Anwesenheit derselben ist jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um Wahlen oder Gegenstände handelt, über welche die Bürgerschaft ohne Mitwirkung des Senates entscheiden kann.

Art. 42. Die Versammlungen der Bürgerschaft sind in der Regel öffentlich; der Ausschluß der Öffentlichkeit tritt ein, wenn der Senat oder die Bürgerschaft es begehrt.

Art. 43. § 1. Jeder Abstimmung geht eine freie Berathung über den in Antrag gebrachten Gegenstand voraus. Nach dem Schlusse derselben erfolgt die Abstimmung über bestimmte von dem Vorsitzenden zu stellende Fragen, welche stets so zu fassen sind, daß sie mit Ja oder Nein beantwortet werden können.

§ 2. Die Abstimmung geschieht durch Aufstehen und Sitzenbleiben, die von der Bürgerschaft vorzunehmenden Wahlen erfolgen durch Abgabe von Stimmzetteln.

Eine Abstimmung durch namentlichen Aufruf findet statt, wenn dieses vor dem Schlusse der Berathung von mindestens zwanzig Mitgliedern der Versammlung beantragt worden ist.

§ 3. Die Beschlüsse werden durch Stimmenmehrheit sämmtlicher an der Abstimmung theilnehmenden Mitglieder der Bürgerschaft gefaßt; auch bei Wahlen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Ergiebt sich Gleichheit der Stimmen, so gilt bei einer zur Entscheidung verstellten Frage diese für verneint, bei einer Wahl dagegen entscheidet das Loos.

§ 4. Wer Zusätze, Beschränkungen oder sonstige Änderungen vorschlagen will, hat dieselben, bevor sie berathen werden, ihrem wesentlichen Inhalte nach dem Vorsitzenden schriftlich zuzustellen oder zu Protokoll zu geben.

Art. 44. Jedes Mitglied ist berechtigt, Anregen zu Anträgen der Bürgerschaft an den Senat zu machen. Einer solchen Anrege ist jedoch nur dann Folge zu geben, wenn sie dem Vorsitzenden schriftlich zugestellt ist und nach gestellter Vorfrage von mindestens zehn Mitgliedern der Versammlung unterstützt wird. In diesem Falle steht dem Antragsteller die nähere Begründung seines Antrages zu, worauf über die Frage, ob der Gegenstand zur näheren Erwägung an den Bürgerausschuß zu überweisen sei oder nicht, eine Berathung und Abstimmung stattfindet. Entscheidet die Versammlung für das Letztere, so ist damit der Antrag verworfen; entscheidet sie sich dagegen für das Erstere, der Bürgerausschuß hält aber demnächst den Antrag für nicht geeignet, überhaupt oder in unveränderter Form an den Senat gebracht zu werden, oder der Senat lehnt den ihm vom Bürgerausschuß empfohlenen Antrag ab, so hat der Wortführer der Bürgerschaft dieser selbst in ihrer nächsten Versammlung die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob der Antrag Seitens der Bürgerschaft an den Senat gelangen solle, oder nicht.

Art. 45. Die Bürgerschaft ist berechtigt, vom Senate Auskunft über Staats-Angelegenheiten zu begehren. Die entsprechende Verpflichtung des Senates erleidet jedoch eine Ausnahme in Betreff obschwebender Verhandlungen in Reichs- und auswärtigen Angelegenheiten. Die Gegenstände, über welche Auskunft verlangt wird, sind dem Senate schriftlich mitzutheilen, dem es überlassen bleibt, die verlangte Auskunft schriftlich oder durch Commissare mündlich zu ertheilen.

Art. 46. Auf alle Anträge des Senates muß in derselben Versammlung, in welcher sie gestellt sind, ein Beschluß gefaßt werden.

Es steht jedoch der Bürgerschaft frei, einen Antrag des Senates zunächst einer aus ihrer Mitte zu ernennenden Commission zur Begutachtung zu überweisen und demnach bis zur Erstattung des Gutachtens ihre Entscheidung auszusetzen. Wenn eine solche Commission über irgend einen Punkt noch eine Aufklärung für erforderlich erachtet, so kann sie dieserhalb eine Besprechung mit den Commissaren des Senates begehren. Die Commissare des Senates sind befugt, Mittheilung des Gutachtens der Commission zu verlangen, bevor über die Sache weiter verhandelt wird.

Übrigens haben die Verhandlungen über Anträge des Senates vor allen anderen den Vorzug und dürfen nicht ohne Zustimmung der Commissaren des Senates durch anderweitige Geschäfte unterbrochen werden.

Art. 47. Das über die Beschlüsse der Bürgerschaft auf Anträge des Senates aufzunehmende Protokoll ist in einer von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer unterzeichneten Ausfertigung fördersamt den Commissarien des Senates zuzustellen, um es dem letzteren vorzulegen.

Art. 48. Der Geschäftsgang bei den Berathungen der Bürgerschaft wird, so weit er nicht im Vorstehenden festgestellt worden, durch eine von der Bürgerschaft zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.

Art. 49. Eine Ausfertigung des in den Versammlungen der Bürgerschaft geführten Protokolles ist binnen drei Tagen nach jeder Versammlung dem im Senate den Vorsitz führenden Bürgermeister zuzustellen, auch ist das Protokoll, soweit nicht Geheimhaltung beschlossen ist, durch den Druck zu veröffentlichen.

Der Senat bringt die im Einvernehmen mit der Bürgerschaft gefaßten Beschlüsse, soweit nicht Gründe des Staatsinteresses deren Geheimhaltung rathsam erscheinen lassen, durch das Amtsblatt zur öffentlichen Kunde.

Art. 50. Die Mitgenehmigung der Bürgerschaft ist erforderlich:
I. zu jeder Änderung der Staatsverfassung;
II. zu jedem Erwerb und jeder Veräußerung von Hoheitsrechten;
III. zur Erlassung, authentischen Auslegung, Änderung oder Aufhebung von Gesetzen, so wie von Verordnungen in Handelssachen;
    Polizeiliche Verfügungen und lediglich die Handhabung bestehender Gesetze betreffende Verordnungen werden dagegen vom Senate allein beschlossen, doch ist bei Verkündung der letztern stets das Gesetz zu bezeichnen, von dessen Handhabung es sich handelt.
IV. zur Einführung, Aufhebung und Veränderung directer oder indirecter Steuern und Abgaben aller Art;
V. zur Gestattung der Ausübung öffentlichen Gottesdienstes Seitens solcher Religionsgesellschaften, welchen dieselbe bisher noch nicht zugestanden ist;
VI. zur Ertheilung von Privilegien;
VII. zu Verfügungen, bei welchen die Vorsteherschaften von Privatstiftungen nach den bestehenden Gesetzen der Genehmigung des Senates oder der Bürgerschaft bedürfen;
VIII. zur Entscheidung über die Anwendbarkeit des Expropriationsgesetzes auf die Ausführung einer Anlage;
IX. zum Abschlusse von Staatsverträgen, welche den Handel, die Schiffahrt oder einen derjenigen Gegenstände betreffen, welche der Mitgenehmigung der Bürgerschaft unterliegen.

Art. 51. Der Bürgerschaft steht ferner eine Mitwirkung zu:
X. bei der Verwaltung des Staatsvermögens, so wie des Vermögens der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden und der öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten.
    In dieser Beziehung treten folgende Bestimmungen ein:
    1) Die Verwaltung des Staatsvermögens ist im Allgemeinen den Behörden übertragen, unter Leitung und Aufsicht des Senates. Ohne Zustimmung der Bürgerschaft können jedoch wesentliche Änderungen in den Wirkungskreisen der einzelnen Behörden und in der herkömmlichen Verwaltung und Benutzung des Staatsvermögens nicht vorgenommen, namentlich nicht Staatsgüter neu erworben oder veräußert, auch nicht in Erbpacht gegeben oder verpfändet werden.
    2) Die Vorstände der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden sowie die Vorsteherschaften der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten können ohne Zustimmung der Bürgerschaft nicht zu denjenigen Verfügungen ermächtigt werden, zu welchen sie nach den bestehenden Gesetzen die Genehmigung des Senates und der Bürgerschaft nachzusuchen verpflichtet sind.
    3) Das Staatsbudget so wie das allgemeine Budget der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten muß alljährlich der Bürgerschaft zur Genehmigung vorgelegt werden. Bei dieser Gelegenheit darf indessen den durch besonderen Rat- und Bürgerschluß bereits bewilligten Einnahmen und Ausgaben die Genehmigung einseitig so wenig von dem Senate als von der Bürgerschaft  versagt werden.
    4) In der Regel sind alle Ausgaben aus der öffentlichen Kasse durch die Mitbewilligung der Bürgerschaft bedingt. Es darf jedoch die letztere ihre Zustimmung zu einer nach der Aufgabe des Senates erforderlich werdenden Verstärkung der zu Ehrenausgaben desselben sowie zur Bestreitung der Kosten diplomatischer Verhandlungen und Sendungen im Staatsbudget ausgesetzten Geldmittel nicht versagen, sie kann indessen im ersten Falle vom Senate eine Darlegung der mit der Gesammtsumme bestrittenen Zahlungen begehren. Auch sind die über die Kosten diplomatischer Verhandlungen und Sendungen dem Senate abzulegenden Rechnungen dem Finanzdepartement zuzustellen, um als Beilagen zu dessen allgemeiner Rechnung zu dienen, in welcher Eigenschaft sie gleich allen übrigen Rechnungen den Erinnerungen der Rechnungs-Revisionsdeputation unterworfen sind.
    5) Ohne Zustimmung der Bürgerschaft darf weder eine neue Staatsanleihe gemacht, noch der zur Tilgung der Staatsschulden festgesetzte Plan geändert werden.
    6) Der Bürgerschaft ist über die Verwaltung eines jeden Jahres der Bericht des Finanz-Departements und der Bericht der Rechnungs-Revisions-Deputation mitzutheilen, und kann der Stadtcassenverwalter nur nach dem gemeinsamen Beschlusse des Senates und der Bürgerschaft über seine Verwaltung in jedem Jahre quittirt werden.
    Auch die im Laufe des Jahres von der Rechnungs-Revisionsdeputation über einzelne Verwaltungsrechnungen, sowie die vom Ober-Schulcollegium und von der Central-Armendeputation abgestatteten Revisionsberichte sind mit den bezüglichen Rechnungen der Bürgerschaft mitzutheilen.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 17. Juli 1907 wurde der Artikel 51 wie folgt geändert:
- in der Ziffer 4) wurde das Wort "Rechnungs-Revisionsdeputation" ersetzt durch: "Rechnungsbehörde".
- in der Ziffer 6) wurde das Wort "Rechnungs-Revisions-Deputation" ersetzt durch: "Rechnungsbehörde" und das Wort "Ober-Schulcollegium" wurde ersetzt durch: "Oberschulbehörde".

Art. 52. Sollten bei Gelegenheit eines vom Staate abzuschließenden Vertrages oder bei einer anderen außerordentlichen Veranlassung der Senat und die Bürgerschaft der übereinstimmenden Ansicht sein, daß der Gegenstand aus Rücksicht auf nothwendige Geheimhaltung sich so wenig zur Verhandlung mit dem Bürgerausschusse als mit der Bürgerschaft eigne, so ist eine Geheimcommission zu ernennen, welche die dem Bürgerausschusse wie der Bürgerschaft zustehenden Befugnisse auszuüben hat, in so weit nicht im einzelnen Falle von der Bürgerschaft die Vollmacht der Commission beschränkt ist.

Die Zahl der in eine solche Commission zu wählenden Mitglieder wird von der Bürgerschaft bestimmt; eine Vermehrung derselben ist vorzunehmen, so oft es die Bürgerschaft, sei es auf Antrag der Geheimcommission, sei es aus eigenem Antriebe, für angemessen erachtet.

Ein Beschluß der Geheimcommission ist nur dann gültig, wenn er von der Mehrheit sämmtlicher Mitglieder gefaßt ist.

Falls von einer Geheimcommission die Instruction des mit dem Abschlusse eines Vertrages Beauftragten genehmigt ist, so kann die Bürgerschaft ihre Zustimmung zu dem Vertrage nur dann ablehnen, wenn die Geheimcommission die Gränzen ihrer Befugniß überschritten hat, oder der Vertrag nicht der ertheilten Instruction gemäß abgeschlossen ist.

Das Verfahren für die Verhandlungen der Geheimcommission ist durch ein besonderes Regulativ bestimmt.

II. Der Bürgerausschuß.

Art. 53. Der Bürgerausschuß besteht aus dreißig Personen, welche von der Bürgerschaft aus ihrer Mitte auf zwei Jahre in der Art gewählt werden, daß diejenigen, welche bei jeder Wahl die meisten Stimmen für sich haben, als gewählt gelten.

Der Wortführer der Bürgerschaft und dessen Stellvertreter sind nicht wählbar; alle übrigen Mitglieder der Bürgerschaft sind der Wahl Folge zu leisten verpflichtet.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 17. Juli 1907 wurde im Art. 53 Abs. 1 das Wort "Personen" ersetzt durch: "Mitglieder".

Art. 54. In der Regel treten jährlich am dritten Montage des Julimonats fünfzehn Mitglieder des Bürgerausschusses aus und werden in der an diesem Tage stattfindenden Versammlung der Bürgerschaft durch Neuwahlen ersetzt. Es darf indessen nie mehr als die Hälfte des Bürgerausschusses aus Neugewählten bestehen; wenn Sterbefälle oder andere Ursachen den regelmäßigen Wechsel stören, bleiben daher, nach einer vom Bürgerausschusse selbst zu treffenden Bestimmung, einzelne Mitglieder länger als zwei Jahre, jedoch niemals über drei Jahre, im Bürgerausschusse.

Die Ausgetretenen sind erst nach Ablauf eines Jahres wieder wählbar.

Für alle im Laufe eines Jahres Austretenden finden in der nächsten Versammlung der Bürgerschaft neue Wahlen statt.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 9. August 1905 erhielt der Artikel 54 folgende Fassung:
"Artikel 54. In der Regel treten jährlich am ersten Montag im Dezember 15 Mitglieder des Bürgerausschusses aus und werden in der an diesem Tage stattfindenden Versammlung der Bürgerschaft durch Neuwahlen ersetzt. Es darf indessen nie mehr als die Hälfte des Bürgerausschusses aus Neugewählten bestehen; wenn Sterbefälle oder andere Ursachen den regelmäßigen Wechsel stören, bleiben daher, nach einer vom Bürgerausschusse selbst zu treffenden Bestimmung, einzelne Mitglieder länger als zwei Jahre, jedoch niemals über drei Jahre, im Bürgerausschusse.
Die Ausgetretenen sind erst nach Ablauf eines Jahres wieder wählbar.
Für alle im Laufe eines Jahres Austretenden finden in der nächsten Versammlung der Bürgerschaft neue Wahlen statt.".

Art. 55. In der ersten nach den regelmäßigen jährlichen Ergänzungswahlen (Art. 54) stattfindenden Versammlung erwählt der Bürgerausschuß aus seiner Mitte einen Wortführer und zwei Stellvertreter desselben auf ein Jahr. Die Gewählten sind verpflichtet, die Wahl anzunehmen.

Der abtretende Wortführer kann zwar, wenn er im Bürgerausschusse bleibt, wiederum auf ein Jahr gewählt werden, ist aber dieser Wahl Folge zu leisten nicht verbunden. Wird derselbe jedoch, nachdem er eine Zeit lang nicht Mitglied des Bürgerausschusses war, auf's Neue in denselben gewählt und sodann wieder zur Wortführung berufen, so ist er verbunden, diese und auch eine ihn unter gleichen Verhältnissen abermals treffende Wahl anzunehmen, jede fernere Wahl zum Wortführer des Bürgerausschusses aber abzulehnen berechtigt.

Im Fall der Wortführer während seiner Wortführung aus dem Bürgerausschusse ausscheidet oder als solcher vom Bürgerausschusse entlassen wird, ist sein Nachfolger nur bis zur nächsten regelmäßigen Ergänzung des Bürgerausschusses zu wählen.

Art. 56. Der Bürgerausschuß erwählt einen Protokollführer auf fünf Jahre. Derselbe wird in gleicher Weise wie der Protokollführer der Bürgerschaft verpflichtet (Art. 35) und ebenfalls aus der Staatskasse besoldet. Der abtretende Protokollführer kann sofort wieder gewählt werden.

Der Protokollführer des Bürgerausschusses darf nicht zugleich Protokollführer oder Archivar der Bürgerschaft sein; er hat den letzteren jedoch in Behinderungsfällen sowohl in der Protokollführung als auch in den Archivargeschäften zu vertreten.

Art. 57. Bei der Wahl des Wortführers und der Stellvertreter desselben, sowie bei der des Protokollführers muß die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen sich für eine und dieselbe Person entschieden haben. Mit einer etwa nöthigen Nachwahl wird es ebenso, wie bei den Wahlen des Wortführers und des Protokollführers der Bürgerschaft gehalten. (Art. 36)

Art. 58. Der Bürgerausschuß versammelt sich regelmäßig, wiewohl mit Ausnahme des Augustmonats,  alle vierzehn Tage auf dem Rathhause zur Zeit der Versammlungen des Senates; bei besonderer Veranlassung kann der Senat denselben auch zu einer andern Zeit durch den Wortführer zusammenberufen lassen. Außerdem kann der Wortführer selbst eine Versammlung des Bürgerausschusses ansetzen, so oft ihm dieselbe nothwendig erscheint; verpflichtet ist er dazu, sobald sechs Mitglieder des Bürrgerausschusses es begehren und den Zweck der Berufung in einem schriftlichen Antrage darlegen.

Art. 59. Den Vorsitz in den Versammlungen und die Leitung der Geschäfte hat der Wortführer des Bürgerausschusses. Ist derselbe zu erscheinen verhindert, so tritt einer der Stellvertreter desselben für ihn ein, nach der Reihenfolge, welche durch die Wahl bestimmt ist.

Sind der Wortführer und dessen beide Stellvertreter gleichzeitig verhindert oder aus dem Bürgerausschusse ausgetreten, bevor eine Neuwahl stattgefunden hat, so gebührt dem Wortführer der Bürgerschaft oder dessen Stellvertreter die Berufung des Bürgerausschusses, um im ersten Falle die Wahl eines zeitweiligen Vertreters des Wortführers, im letzterem Falle die Neuwahl eines Wortführers zu veranlassen.

Art. 60. Zur Fassung eines gültigen Beschlusses ist die Anwesenheit von mindestens zwei Drittheilen sämmtlicher Mitglieder des Bürgerausschusses erforderlich.

Art. 61. Die Anträge des Senates werden dem Bürgerausschusse in schriftlicher Abfassung durch Commissare überbracht und von diesen mit dem Bürgerausschusse besprochen.

Die Abstimmung erfolgt, wenn ein bezüglicher Antrag gestellt ist, erst nach Entfernung der Senatscommissare.

Art. 62. In der Regel muß die Entscheidung des Bürgerausschusses auf die Anträge des Senates in derselben Versammlung, in welcher sie vorgelegt sind, erfolgen. Der Bürgerausschuß kann jedoch, wenn er es für angemessen hält, einen Antrag des Senates zunächst einer aus seiner Mitte zu ernennenden Commission zur Begutachtung überweisen, oder auch die Berathung des Gegenstandes bis zur nächsten Versammlung aussetzen. Im ersten Falle sind die Commissare des Senates befugt, Mittheilung des Commissionsgutachtens zu begehren, bevor über die Sache im Bürgerausschusse verhandelt wird.

Art. 63. Wenn dem Bürgerausschusse über irgend einen Punkt noch eine Aufklärung erforderlich scheint, steht es ihm frei, eine weitere Besprechung mit den Commissarien des Senates zu begehren.

Auch der mit der Begutachtung eines Antrages beauftragten Commission des Bürgerausschusses steht diese Befugniß zu.

Art. 64. Bei Abstimmungen gilt im Falle einer sich ergebenden Stimmengleichheit die zur Entscheidung verstellte Frage für verneint, bei einer Wahl entscheidet dagegen entscheidet das Loos.

Art. 65. Das über jede Versammlung des Bürgerausschusses aufzunehmende Protokoll ist, so weit es Beschlüsse auf Anträge des Senates, Anträge an den Senat, Entscheidungen in Berufungsfällen und Wahlen enthält, in einem von dem Protokollführer unterzeichneten Auszuge den Commissaren des Senates zuzustellen.

Wenn der Bürgerausschuß einem Antrage des Senates nicht beistimmt, sind die Gründe des abweichenden Beschlusses in der Regel in den Protokollauszug mit aufzunehmen, es kann indessen auch die Nachlieferung derselben vorbehalten werden.

Art. 66. Die Bestimmung des Geschäftsganges in den Versammlungen bleibt, in so weit nicht darüber im Vorstehenden Vorschriften enthalten sind, dem Bürgerausschusse überlassen.

Art. 67. Das Protokoll einer jeden Versammlung des Bürgerausschusses ist, soweit nicht Geheimhaltung beschlossen ist, durch den Druck zu veröffentlichen; auch ist eine Ausfertigung desselben innerhalb drei Tagen dem Wortführer der Bürgerschaft zuzustellen. Derselbe ist berechtigt, die von dem Senate an den Bürgerausschuß gelangten Schriftstücke, nach Beendigung der mit dem Bürgerausschusse darüber gepflogenen Verhandlungen, zur Einsicht zu begehren.

Art. 68. Die vom Senate im Einvernehmen mit dem Bürgerausschusse gefaßten Beschlüsse werden zugleich mit einer beglaubigten Ausfertigung der bezüglichen Erklärung des Bürgerausschusses vom Senate der Bürgerschaft in deren nächster Versammlung mitgetheilt, auch bringt der Senat erstere, soweit nicht Gründe des Staatsinteresses deren Geheimhaltung rathsam erscheinen lassen, durch das Amtsblatt zur öffentlichen Kenntniß.

Art. 69. Der Bürgerausschuß übt die der Bürgerschaft zustehenden Befugnisse aus, wenn es sich handelt:
1) um Geldbewilligungen, welche in dem einzelnen Falle oder, wenn in einem und demselben Kalenderjahre mehrmals für denselben Zweck beantragt, in ihrer Gesammtheit die Summe von 6000 Reichsmark einmaliger Ausgabe oder von 300 Reichsmark jährlicher Ausgabe nicht überschreiten, sofern nicht im einzelnen Falle die Geldbewilligung der Entscheidung einer anderen Frage vorgreift, welche verfassungsmäßig zur Mitgenehmigung der Bürgerschaft zu verstellen ist;
2) um Verwendung der bereits im Staatsbudget ausgesetzten Summen, so weit nicht die einzelnen Behörden zur Verwendung dieser Summen berechtigt sind;
3) um den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken für den Staat, die evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden, die öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten und die Privatstiftungen, soweit damit nicht ein Erwerb oder Aufgeben von Hoheitsrechten verbunden ist und das Grundstück nicht einen höheren Werth hat als von 12,000 Reichs-Mark (Art. 50 VII, Art. 51 X 1. und 2.);
4) um Änderungen in der Verwaltung oder in der Benutzung des Eigenthums des Staates, der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden, der öffentlichen Wohtthätigkeitsanstalten und der Privatstiftungen, wenn ein Werth von nicht mehr als 12,000 Reichs-Mark in Frage steht (Art. 50 VII, Art. 51 X 1. und 2.);
5) um Verfügungen über Denkmäler der Kunst oder des Alterthums; endlich
6) um Entscheidungen, welche durch Beschluß des Senates und der Bürgerschaft dem Bürgerausschusse übertragen sind.

Wenn der Bürgerausschuß einen Antrag des Senates ablehnt, so ist es dem Senate unbenommen, denselben Antrag an die Bürgerschaft zu richten.

Art. 70. Über alle zur Verhandlung mit der Bürgerschaft gehörende Gegenstände hat der Senat die Ansicht des Bürgerausschusses einzuziehen, bevor er seine Anträge an die Bürgerschaft gelangen läßt.

Art. 71. Der Bürgerausschuß hat die Befugniß, Anträge und Vorschläge, sei es in Folge ihm von der Bürgerschaft überwiesener Anregen (Art. 44) sei es aus eigenem Antriebe an den Senat zu richten.

Art. 72. Der Bürgerausschuß ernennt die Mitglieder der Geheim-Commissionen (Art. 52), die bürgerschaftlichen Theilnehmer an gemeinsamen Commissionen des Senates und der Bürgerschaft, sowie die bürgerlichen Deputirten bei denjenigen Verwaltungsbehörden, für welche der Bürgerschaft oder dem Bürgerausschusse das Ernennungsrecht eingeräumt ist. Zu jeder Wahl eines bürgerlichen Deputirten bei den übrigen Verwaltungsbehörden dagegen hat der Bürgerausschuß dem Senate zwei Bürger vorzuschlagen, welche ihm dazu am meisten geeignet erscheinen.

Sowohl die Ernennungen, als diese Vorschläge können sich auf sämmtliche Personen erstrecken, welche an den Wahlen in die Bürgerschaft Theil zu nehmen berechtigt sind.

Vierter Abschnitt.
Verfahren bei beharrlicher Meinungsverschiedenheit zwischen dem Senate und der Bürgerschaft.

Art. 73. Zeigt sich bei den Verhandlungen über Anträge des Senates an die Bürgerschaft oder über Anträge der Bürgerschaft an den Senat zwischen beiden eine beharrliche Meinungsverschiedenheit, so kommen die nachfolgenden Bestimmungen zu Anwendung.

Art. 74. Wenn zwischen dem Senate und der Bürgerschaft über die authentische Auslegung bestehender Gesetze eine Meinungsverschiedenheit obwaltet, insbesondere wenn Bestimmungen der Verfassung streitig sind, oder wenn ein von dem Senate oder von der Bürgerschaft auf den Grund der Verfassung in Anspruch genommenes Recht von dem andern Theile bestritten wird, so wird zuvörderst der Versuch gemacht, die Meinungsverschiedenheiten im Wege der Verständigung zu beseitigen. Bleibt dieser Versuch ohne Erfolg, so ist die Streitfrage der rechtlichen Entscheidung des Ober-Appellations-Gerichtes der freien Hansestädte zu unterwerfen.

Das dabei zu beobachtende Verfahren wird durch eine besondere Übereinkunft zwischen dem Senate und der Bürgerschaft festgestellt werden.

Durch Rats- und Bürgerschluss vom 21. Juli 1879 (?) wurden im Art. 74 Abs. 1 die Worte "des Ober-Appellations-Gerichts der freien Hansestädte" ersetzt durch: "des Hanseatischen Oberlandesgerichtes".

Art. 75. Weichen dagegen die Meinungen des Senates und der Bürgerschaft darüber von einander ab, was das Staatswohl erfordere und sind in einem solchen Falle der Senat und die Bürgerschaft der übereinstimmenden Ansicht, daß eine Beschlußnahme ohne wesentlichen Nachtheil für das Gemeinwesen keinen Aufschub erleide, so ist die Meinungsverschiedenheit durch den Ausspruch einer Entscheidungs-Commission zu beseitigen. Änderungen in der Staats-Verfassung dürfen indessen niemals durch den Ausspruch einer solchen Commission herbeigeführt werden.

Art. 76. Die Entscheidungs-Commission wird durch sieben Mitglieder des Senates und sieben Mitglieder der Bürgerschaft gebildet. Jene werden vom Senate, diese von der Bürgerschaft, durch geheime Abstimmung mittelst Stimmzettel, erwählt.

Art. 77. Diese Wahl erfolgt an demselben Tage, an welchem sich der Senat und die Bürgerschaft vollständig darüber geeinigt haben, daß eine Entscheidungs-Commission zusammentreten solle und welcher Auftrag derselben zu ertheilen sei.

Art. 78. Die Mitglieder des Senates sind zufolge ihres Rathseides, die Mitglieder der Bürgerschaft zufolge ihres Bürgereides, verpflichtet, die auf sie gefallene Wahl anzunehmen. Nur für Kranke und Abwesende ist daher zu einer neuen Wahl zu schreiten.

Art. 79. Die in die Entscheidungs-Commission berufenen Mitglieder des Senates und der Bürgerschaft haben spätestens in der nächsten nach der Wahl stattfindenden Versammlung des Senates, in Gegenwart des Bürgerausschusses, folgenden Eid zu leisten:
    Ich schwöre und gelobe zu Gott, bei der mir übertragenen Entscheidung der zwischen dem Senate und der Bürgerschaft obwaltenden Meinungsverschiedenheit mich lediglich durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl leiten zu lassen, meinen Ausspruch nur nach meinem besten Wissen und Gewissen zu thun, über Alles, was in der Commission verhandelt werden wird, namentlich auch darüber, in welcher Weise die Entscheidung zu Stande gekommen ist, wie ich selbst und die übrigen Mitglieder der Commission gestimmt haben, niemals irgend Jemanden eine Mittheilung zu machen, vielmehr über dieses Alles das unverbrüchlichste Stillschweigen zu bewahren. So wahr mir Gott helfe !

Art. 80. Die Commission erwählt ihren Vorsitzenden aus den ihr angehörigen Mitgliedern des Senates, in geheimer Abstimmung mittelst Stimmzettel.

Art. 81. Die Reihenfolge, in welcher die übrigen Mitglieder ihren Sitz einzunehmen haben und in welcher die Abstimmung geschieht, wird durch das Loos festgestellt. Der Vorsitzende darf seine Stimme jedoch erst abgeben, wenn die übrigen Mitglieder der Commission abgestimmt haben.

Art. 82.Zur Beschlußnahme der Commission ist Stimmenmehrheit sämmtlicher Mitglieder erforderlich.

Ergiebt sich Stimmengleichheit, so erwählt die Commission aus ihrer Mitte einen aus drei Mitgliedern des Senates und drei Mitgliedern der Bürgerschaft bestehenden Ausschuß, welcher sich über den von der Entscheidungs-Commission zu fällenden Ausspruch verständigen muß.

Art. 83. Der Ausspruch der Entscheidungs-Commission muß spätestens innerhalb vierzehn Tagen nach der geschehenen Beeidigung ihrer Mitglieder erfolgen.

Derselbe wird, nachdem er von sämmtlichen Mitgliedern in der Schlußsitzung unterzeichnet und mit einem Siegel verschlossen ist, sofort durch zwei Mitglieder der Commission dem im Senate den Vorsitz führenden Bürgermeister überbracht.

Art. 84. Wenn die Entscheidungs-Commission bei ihrer Berathung die Ansicht gewonnen haben sollte, daß die zwischen dem Senate und der Bürgerschaft obwaltende Meinungsverschiedenheit ihr in anderer Weise, als geschehen, hätte zur Entscheidung verstellt werden müssen, und daß die Annahme eines von ihr zu machenden Vorschlages dem Gemeinwohl am Meisten entsprechen würde, so hat sie diesen ihren Vorschlag dem Senate einzureichen, jedoch gleichfalls verschlossen und zugleich mit dem entscheidenden Ausspruche auf die ihr vorgelegte Frage.

Für einen solchen Fall ist in dem Senate und in der Bürgerschaft zuerst über den von der Commission eingereichten Vorschlag zu verhandeln, bis dahin, daß sich diese Verhandlungen zerschlagen haben, bleibt der Entscheidungsspruch selbst uneröffnet bei dem Senate liegen.

Art. 85. Der Ausspruch der Entscheidungs-Commission wird innerhalb acht Tagen nachdem er eingereicht, oder nachdem der etwanige Vermittlungs-Vorschlag (Art. 84) verworfen worden, in der Versammlung des Senates, in Gegenwart des Bürgerausschusses, von dem den Vorsitz führenden Bürgermeister eröffnet und verlesen. Der Ausspruch gilt sodann als Rath- und Bürgerschluß.

 

Mit der Bekanntmachung der Verfassung durch den Senat wurden auch folgende Gesetze als Anhang verkündet, die jedoch als einfache Gesetze galten und daher hier nicht wiedergegeben sind:
Anhang 1. (Zum Art. 11. der Verfassung). Gesetz, die Honorare der Mitglieder des Senates betreffend, vom 29. Dezember 1851 und 7. April 1875.
Anhang II. (Zum Art. 11. der Verfassung). Gesetz, die Versetzung der Mitglieder des Senates in den Ruhestand betreffend, vom 29. Dezember 1851 und 7. April 1875.
Anhang III. (Zum Art. 11. der Verfassung). Gesetz, das Austreten aus dem Senate betreffend, vom 29. Dezember 1851 und 7. April 1875.
Anhang IV. (Zum Art. 33. der Verfassung). Verordnung, das Verfahren bei der Wahl der Mitglieder der Bürgerschaft betreffend, vom 5. April 1875.
Anhang V. (Zum Art. 51. X., 3. und 4. der Verfassung). Bekanntmachung, die zwischen dem Senate und der Bürgerschaft in Beziehung auf das Budgetbewilligungsrecht geschlossene Vereinbarung betreffend, vom 1. März 1852 und 7. April 1875.
Anhang VI. (Zum Art. 52 der Verfassung). Regulativ für das Verfahren in den Geheimcommissionen, vom 7. April 1875.
Anhang VII. (Zum Art. 74. der Verfassung). Bekanntmachung, die Ausführung des § 76 (jetzt Art. 74) der revidirten Verfassungs-Urkunde betreffend, vom 6. August 1851 und 7. April 1875.

 

Zwar ist die vorstehende Verfassung gemäß dem Bekanntmachungstext im Vorspann der Verfassung die "Verfassung vom 29. December 1851", die "einer Revision unterzogen ist", faktisch wurde durch die nahezu komplette Neufassung der Bestimmungen über den Senat und die Bürgerschaft sowie den neuen ersten Abschnitt der Verfassung, eine neue Verfassung geschaffen, weshalb in einigen Publikationen diese auch wirklich als neue Verfassung und nicht als neu bekannt gemachte Verfassung bezeichnet. Die Verfassung wurde nach erneuten Revisionen in den Jahren 1899, 1906 und 1907 erneut neu bekannt gemacht.

Für das heutige Verständnis ist es absolut unerklärlich, warum Lübeck nach fast 60 Jahren allgemeinen und gleichen Wahlrechts im Jahr 1902 das Zensuswahlrecht und 1905 das ungleiche Klassenwahlrecht eingeführt hat.